Album der Woche: Reezy – „Weisswein & Heartbreaks“

Künstler: Reezy
Titel: Weisswein & Heartbreaks
Features: Summer Cem, Luciano, Trim, Bausa
Produzenten: Reezy, Mesh, G17, Sunny Norway, Geenaro, Ghana Beats
Label: Two Sides / Four Music / Sony

Joshuas Erwartungshaltung:

Reezy ist bei mir ein schwieriger Patient. Für ihn schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das eine hält ihn für einen talentierten, vielseitigen und interessanten Künstler, der Deutschrap extrem bereichert. Ganz besonders was sein Produzentendasein angeht. Das andere ist immer mal wieder am Boden zerstört, weil es findet, dass er sich regelmäßig unter Wert verkauft.

Beide diese Herzen haben sich im Vorfeld von „Weisswein & Heartbreaks“ (übrigens super Titel!) auch schon zu Wort gemeldet. Ich erwarte also beides: Große Begeisterung und leider auch vereinzelt ziemliche Enttäuschung.

1. 1+1

Überraschender Einstieg. Hätte mir hier auch gut ein reines Instrumental vorstellen können, das einen ins Reezy-Universum bringen soll. Das Intro des Songs erledigt das trotzdem ziemlich gut. Unerwarteter, aber guter Start.

2. Weisswein Interlude

Sag nur, dass es voll geil ist / Aber dass es nicht so meins ist“ – haha, fühl ich! Das ist ja auch mein täglich Brot. Ohne ihm jetzt einen Sneak-Diss in den Mund legen zu wollen, aber irgendwie passt es auch gut zu meiner Wahrnehmung, dass Reezy besser ist als das, womit er sich teilweise zufrieden- und abgibt. Guter Song und Props für Interludes an sich.

3. Chrome Hearts

Gibt’s nicht viel zu zu sagen, war ein guter Single-Kandidat, lief seitdem auch immer mal wieder bei mir. Mag den Vibe sehr!

4. Phantom (feat. Summer Cem)

Bringt die bisherige Stimmung des Albums gut auf den Punkt. Er will schon sagen „Bei mir läuft“, aber SIE fehlt noch, damit er wirklich glücklich ist. Da merkt man, dass „Phantom“ auch der Start der Albumproduktion war.

5. Wo Du (feat. Trim)

Hier hab ich etwas ganz anderes erwartet. Ich dachte, das wird die große, pompöse Vorstellungsrunde für Trim. Wird bestimmt noch kommen, hier geht er leider etwas unter. Fällt weder besonders positiv noch negativ auf. Ich mag den augenzwinkernden Charme des Songs.

6. Bad Bitch (feat. Luciano)

Okay, erster Ausfall. Als Songs eigentlich ganz okay, Luciano passt auch perfekt hier drauf. Der Song passt aber überhaupt nicht auf dieses Projekt.

7. Excel

Mein Lieblingssong und zeitgleich mein vielleicht größtes Problem. Erstmal: Was für ein geiler Song. Mehr Abwechslung und Kreativität drin als in manchen Alben. Aber: „Schreibte“? Klar, Rap ist kein Deutschunterricht, aber das muss doch nicht sein. Gerade weil es genug andere Wörter gibt, die genauso gut gepasst hätten. Und eigentlich geht so ein Album doch durch viel zu viele Hände, die sowas verhindern sollten. Solche vermeidbaren Schönheitsfehler machen am Ende den Unterschied…

8. Aftershow

Wirkt wie eine Verschnaufspause nach „Bad“ und „Excel“ und fügt sich wieder perfekt in diese Stimmung, die ich bei „Phantom“ beschrieben habe.

9. Sandmann (feat. Bausa)

Cooler Move mit dem Sean Paul-Sample, auch safe Ohrwurmpotenzial, aber irgendwie ein ziemlich ekelhafter Song. Eine Frau ist also total lost und braucht ganz dringend einen Mann, weil sie auf den gleichen Partys hängt wie ihr? Meh. Überlasst so ’ne Scheiße doch dem Schlager.

10. Heartbreak Interlude

Eins der großen Highlights des Albums! Richtig geil produziert, guter Text, packende Stimmung – top.

11. My Little Sunshine

Und direkt noch eins. Wenn das kein Hit ist, weiß ich auch nicht. Lief auch seit Single-Releases regelmäßig im Loop.

12. Frau von Welt / No Cap

Richtig guter Beatwechsel, besonders der „No Cap“-Part gefällt mir gut. An der Stelle einfach mal stellvertretend für das ganze Album ein riesiges Lob für die Produktion! So viele Beatswitches oder Instrumente, die noch dazu kommen. Wer hier nicht jeden Song bis zum Ende hört, wird etwas verpassen.

13. Weisswein & Heartbreaks

Wohl sein bisher realster Song? Ich mag es, dass Reezy hier endlich mal konkreter wird, über seine Geschichte spricht. Er ist sehr gut darin, ein Gefühl zu vermitteln und ich glaube auch, dass er immer reale Ereignisse verarbeitet, aber seine Erzählweise bleibt mir oft zu verwaschen mit zu wenig Fokus auf ihn selbst. Gerne mehr von dieser Offenheit.

PS: Auch richtig gut, wie es hier zu einem Happy End kommt. Statt als Mittel zum Zweck für Rausch und Betäubung wie auf dem Rest des Albums, wird hier mit dem Wein und der Herzensdame angestoßen.

PPS: Oder kippt er sich alleine die Birne zu wegen dem Streit? So ganz eindeutig ist es ja doch nicht… Ich bin offen für Theorien.

Fazit:

Reezy hat auf jeden Fall bewiesen, dass ihm das Konzept eines Albums nach wie vor wichtig ist. Sowohl Weißwein als auch Heartbreaks durchziehen das ganze Projekt als wiederkehrende Motive und durch die Reihenfolge der Tracks entsteht auch ein schlüssiger Spannungsbogen. Leider wird der hier und da mal durchbrochen, manches durch unnötige Schönheitsfehler abgewertet, sich in Phrasen verloren oder auch mal ziemlich danebengegriffen. Das Album ist gut, macht mir große Hoffnung auf kommende Projekte und hat großartige Momente. Alles in allem bestätigt es aber auch mein bisheriges Bild von ihm: Reezy bleibt unter seinen Möglichkeiten. Zumindest unter denen, die ich in ihm sehe. 7/10