Zwischen den Zeilen mit Stee zu „Würfelspiel“

Der Hamburger Rapper Stee veröffentlichte kürzlich sein Album „Würfelspiel„. Auf 20 Tracks zeigt er sein Können auf Beats von DemRocksky, Chris Simmons, Kaleel uvm. Wir haben mit Stee unser Format „Zwischen den Zeilen“ durchgeführt, in dem er sein Album „Würfelspiel“ vorstellen, und einige Anekdoten dazu zum Besten geben kann. Checkt das aus!

Was für eine Idee/ ein Konzept steckt hinter deinem/eurem Album „Würfelspiel“?
Das Konzept ist es gibt keins (lacht) Es haben sich in den letzten Jahren einfach n Haufen Tracks eingesammelt und es gab schon länger mal den Plan, daraus eine Handvoll für einen Tonträger mal so richtig fertig zu machen. Wie’s dann so läuft, kommen der Job und 1.000 andere Sachen dazwischen, sodass sich jetzt letztendlich ein aus den letzten 15 Jahren zusammengewürfelter Mix meiner persönlichen Lieblingstracks aus der „Songschublade“ auf dem Album wiederfindet. Daher auch der Titel.
Das Artwork/Cover hat mein alter Homie Helge Wolff gemacht, mit dem ich aufgewachsen bin. Helge war früher einer der begabtesten Writer in meinem Umfeld. Heute macht er leider nicht mehr so viel in die Richtung. Trotzdem hat er’s nicht verlernt und war ganz klar meine erste Wahl fürs Artwork.

Was gibt es zu dem/den Feature/s zu sagen?
Für mich ist Musik machen etwas sehr persönliches, gleichzeitig aber auch ein totales Gemeinschaftsding. Zusammen mit Freunden Session machen oder einen Song schreiben hat mir immer viel gegeben. Dadurch befinden sich auf dem Album auch verhältnismäßig viele Songs mit Beteiligung anderer Produzenten, DJ’s und MC’s. Jede Zusammenarbeit basiert auf persönlichen Beziehungen, gegenseitiger Sympathie und gegenseitiger Wertschätzung als Künstler. Aber ich würde keinen Song mit jemandem machen wenn der Vibe nicht stimmt, nur weil es gerade cool wäre oder so. Genauso würde ich nicht für ein Feature Geld bezahlen oder verlangen. Entweder man hat Bock was zusammen zu machen oder eben nicht. Das ist für mich sehr wichtig. Außerdem ist es für mich wichtig, dass die Produzenten und DJ’s den gleichen Stellenwert haben wie die MC’s, die mit von der Partie sind. Ich finde es eher unangemessen den Produzent und DJ ggf. nur irgendwo am Rande zu erwähnen und nur die MC’s groß als Feature-Gäste anzukündigen.

Wie lief die Produktion ab?
Puuuh, das ist wirklich immer unterschiedlich. Es gibt Songs, die ich in ein paar Stunden an einem Stück geschrieben habe (wobei das eher die Ausnahme ist ;)) und es gibt Texte, die sogar über Jahre in kleineren Etappen entstanden sind. Manchmal ist am Anfang der Beat und dann kommt der Text/die Idee dazu. Teilweise habe ich aber auch schon Songs geschrieben und den Beat erst im Nachhinein gepickt.
Auf dem Album sind auch Songs, für die ich teilweise in der Produktionsphase bis zu vier Mal das Instrumental gewechselt und/oder sie mehrmals recordet habe.
Ich würde nicht sagen, dass ich einen ganz speziellen Sound habe. Ich habe kein klares Schema nach dem ich Beats pick oder so. Wenn mich was flasht,probiere ich das halt aus. Ich mag es, verschiedene Beats, Styles, Inhalte usw. auszuprobieren. Immer das Gleiche zu machen wäre mir irgendwie zu langweilig.

Was erwartet den Hörer inhaltlich auf „Würfelspiel“?
Eine klare Richtung gibt‘s da eigentlich nicht. Von Storytelling über Alltagsthemen bis hin zu „einfach mal n paar Lines raus hauen“ is denk ich alles dabei. Ansprechen möchte ich jeden, der Bock hat sich den Stuff anzuhören, daraus Kraft, Freude, Inspiration oder was auch immer für sich ziehen kann. Völlig egal ob HipHopper oder Folksmusik-Fan, darum geht es glaube ich nicht. Klar, jeder hat seine Vorlieben. Trotzdem kann Musik weit über solche Grenzen hinausgehen und völlig unterschiedliche Menschen erreichen. Das ist schon was Besonderes.

Eine kleine Randnotiz rund um das Album?
Als ich angefangen habe die Tracks zusammen zu stellen, habe ich nicht das Gefühl gehabt ein Album zu machen. Es war eher das Gefühl, so ne Art Sampler aus „zusammengewürfelten alten Tracks“ zu machen. Das erste Mal, dass sich dieses Gefühl geändert hat war nach dem Mastering. Plötzlich bildeten diese völlig unterschiedlichen Produktionen eine Einheit durch das entstandene, stimmige Soundbild. Das war schon ein besonderes Gefühl und ein krasser Aha Moment. Daher noch mal vielen Dank an Flo Bauer für das grandiose Mastering.
Am Ende ist das Schönste aber mit Sicherheit der kreative Prozess, die Zusammenarbeit mit den anderen Künstlern und zu erleben wie aus Ideen neue Songs entstehen und der Moment an dem man feststellt, dass da auch noch wirklich was Cooles bei raus gekommen ist.
Wenn ich einen eigenen Song bis zum Moment der Zusammenstellung für’s Album selbst nicht mehr gern hören würde, hätte er es auch nicht auf die Platte geschafft. In erster Linie habe ich mir ja selbst immer den Luxus gegönnt, niemals in eine Richtung gegangen zu sein in der ich mit meiner Musik Geld verdienen muss und gezwungen bin, irgendetwas zu machen was ich nicht will. Das ist mir sehr wichtig. Ich mache Musik in erster Linie für mich selbst und nur wenn bzw. weil ich Bock darauf hab. Wenn es dann Leute gibt, die sich das rein ziehen und denen das gefällt, freu ich mich natürlich sehr. Aber wenn es nicht so wäre, wäre das für mich niemals ein Grund deshalb damit aufzuhören. Rap ist für mich Ausgleich, Freiheit, Therapie und wenn ich mich entscheiden müsste, eher Hobby als Job.

Von Track zu Track

1. Intro
Der erste Part ist etwa 2005 in Zusammenarbeit mit der Band Peace Development aus Hannover entstanden. Irgendwann, Jahre später, kamen ein neuer Beat und der 2. Part dazu. Inhaltlich nicht unbedingt repräsentativ für das Album. Hat mir als Einstieg trotzdem gefallen.

2. Zeit
Ist ca. 2002 in meiner Zeit in Hannover in Zusammenarbeit mit dem Produzententeam Influenzas Finest für deren Sampler entstanden. Der wurde aber leider, soweit ich weiß, nie fertig und der Kontakt hat sich auch irgendwie verlaufen. Nun hab ich mir von Chris Simmons einen neuen Beat gepickt und das Ding neu aufgenommen. Das Ergebnis gefällt mir deutlich besser als die erste Version.

3. Stylisch und Broke
Der Beat ist von Demrocksky. Er hat den mal für nen RMX auf einem seiner Mixtapes verwendet. Ich hab den Beat gehört und wollte unbedingt was drauf machen. Da hatte Holger Burner den aber schon gepickt und was drauf geschrieben. Ich hab Holger dann so lange genervt, bis er mit mir zusammen was Neues drauf angefangen hat (lacht) Bazen kam dann später noch dazu.

4. Meine Homes
Basiert auf der Idee, dass ein Dude n Anderen trifft und dem von seinen übertrieben heftigen Homies erzählt, die am Ende aber alle nur imaginär sind… Aufbau und Umsetzung der Story waren auf jeden Fall eine spannende Herausforderung.

5. Ich weiß wer ich bin
Der einzige Song auf dem Album, für den ich das Instrumental selbst produziert habe. Hier gab es auch erst eine alte Aufnahme auf einemanderen Beat. Kurz vor Albumschluss haben wir den auf dem neuen Beat noch mal neu Aufgenommen, weil das Projekt vom alten Beat verloren gegangen ist…

6. Watt war’n ditt noch für Zeiten
Hier hört ihr die komplette Seitensprung Crew am Mic. Die Jungs, mit denen ich seit ca. 2004 Mukke mache und schon viele Sessions und Gigs hinter mir habe. Much love fo ma Crew!

7. Dir zuliebe
Im Sommer 2014 hat mich meine damalige Freundin verlassen. Den Song hab ich an einem Nachmittag geschrieben und recordet um meine Gedanken dazu zu verarbeiten. Ich hab lange überlegt, ob ich so etwas Persönliches überhaupt veröffentlichen möchte. Eigentlich mag ich es eher, mit Musik gute Laune zu verbreiten. Aber das Leben ist halt nicht immer nur lustig und nett. Sowas gehört nun mal einfach dazu.Letztendlich hab ich es als inhaltliche Ergänzung und Bereicherung für das Album empfunden.

8. Interlude 1
Das Album war eigentlich schon fertig und Chris meint bei einer Session, er hätte bock noch ein paar Interludes für die Scheibe zu basteln. Keine 3 Tage später hat er mir 11 frisch gebaute, überdope Interludes geschickt. Von denen hab ich dann 4 mit aufs Album genommen. Alle wäre wohl ein bisschen zu viel gewesen (lacht).

9. Schitzo
Der Song ist einer der Ersten, die ich zu meiner Anfangszeit in HH mit Bazen gemacht habe. Die Aufnahme (etwa 2005) ist auch mit Abstand die älteste auf dem Album.

10. Handlung
Seit 2005 treffen wir uns mit einer Handvoll Homies (MC’s, Produzenten, DJ’s) im Sommer jedes Jahr im Wendland zum Mukke machen. Da entstehen immer haufenweise spannende Collabos. Dieser Song ist einer davon. Entstanden im Homiecamp 2010. Der Beat ist von Chris Thornton Jr. aus Lüneburg. Die Instrumente sind alle von ihm eingespielt.

11. Interlude 2
Siehe Interlude 1

12. Freiheit RMX
Das Original dieses Songs wurde 2005 auf der Feinschliff (DJ Fine und ich) EP „Nachtaktiv“ veröffentlicht. Die kann man übrigens auf Bandcamp gratis downloaden: https://derstee.bandcamp.com/album/feinschliff-nachtaktiv-ep.Für den Song haben wir damals schon viel positives Feedback bekommen.
Der Song hat inhaltlich für mich auch nie an Aktualität verloren, auch wenn sich natürlich einige Ansichten seit der Zeit in der ich ihn geschrieben hab (etwa von 2000 – 2002) etwas geändert haben. Daher habe ich für diesen RMX auch nicht nur die Raps neu aufgenommen, sondern den 3. Part durch einen komplett Neuen ersetzt.

13. Hin und her
Auch dieser Song hat inzwischen diverse Beatwechsel hinter sich. Irgendwie war ich immer nicht zu 100% zufrieden mit dem Sound und dem Zusammenspiel zwischen Beat und Rap. Der Aktuelle stammt von Chris Simmons, kam kurz vor Albumschluss noch um die Ecke und passte auf Anhieb.

14. Lang nicht mehr gesehen
Ein sehr aktueller Song. Entstanden im Oktober 2014 auf Mallorca bei meinem Homegirl Selma Montana. Während meinem Besuch bei ihr hatten wir bock einen gemeinsamen Song zu schreiben und haben festgestellt, dass wir das Thema „lange unsere Freunde nicht gesehen“, auf sehr unterschiedliche Weise, gemeinsam haben. Selma ist von HH nach Mallorca ausgewandert und bei mir lag es eher an der vielen Arbeit. Trotzdem passte das super unter ein Dach bzw. auf einen Track.

15. Interlude 3
Siehe Interlude 1

16. Nervensägen
Eigentlich habe ich diesen Song auch für den oben schon erwähnten “Influenzas Finest” Sampler geschrieben. Also auch ein „altes Eisen mit neuem Sound“. Hier gibt es inhaltlich ein paar Lines, die ich heute so vermutlich nicht mehr schreiben würde. Ich hab überlegt ob ich sie umschreibe, fand es aber angemessen, das mit dem Blick auf die alte Zeit einfach so stehen zu lassen.

17. Zauberwald
Was soll man dazu schon groß sagen… Ich denke der Song spricht für sich. So habt ihr Holger Burner auf jeden Fall noch nie gehört (lacht).

18. Nachtmensch
Ivee kam mit dem Beat und seinem Part um die Ecke. Ich war sofort geflasht von der Stimmung und Thematik des Tracks und hab einen Part geschrieben. Mein alter Homie Tim, mit dem ich damals angefangen habe Musik zu machen, hat dann noch ein 3. Part dazu geschrieben. Die Cuts kommen von Anbeater, mit dem ich in letzter Zeit auch live unterwegs bin.

19. Interlude 4
Siehe Interlude 1

20. Mosaik
Für diesen Song habe ich mich irgendwann hin gesetzt, alle Deutschrap-Accapellas dich ich hatte durchgehört und Lines rausgeschrieben, die ich für brauchbar hielt. Aus diesem riesen Haufen von Zitaten hab ich dann angefangen Text und Zitate zusammen zu puzzeln und Stück für Stück den Song zu schreiben. DJ Fine hat den Beat geliefert und die Vocal-Samples dope gecuttet.

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Calvin ist seit 2015 teil des Teams, schafft mehr als 20 Klimmzüge am Stück und verzweifelt jedes Wochenende aufs Neue an seinen Handball-Teamkollegen. Wenn er nicht im Dauerlauf das Treppenviertel auf und ab rattert, schreibt er leidenschaftlich gerne Reviews.

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