Es sei „der Abschluss einer Trilogie“. Wir haben Hiob & Morlockk Dilemma gefragt, was hinter dem Remix-Album „Kannibalusmus Jetzt“ steckt, welches am 27.02.2015 herauskommt.
Die Beiden haben sich die Zeit genommen und ausführlich geantwortet. Lest selbst, wie die Produktion ablief und welche Zeilen Hiob von Morlockk Dilemma feiert und andersrum.
1.Was für eine Idee und Konzept steckt hinter dem Album?
Hiob: Nach der Produktion von „Kapitalismus Jetzt“ hatten wir einfach noch sehr viel gutes Sample-Material und ein paar unfertige Textskizzen herumliegen, die es nicht mehr auf das Album geschafft haben. Das wollten wir nicht sang- und klanglos in den Papierkorb schieben. Wir hatten ja schon zu unserem letzten gemeinsamen Album eine Remix-E.P. namens „Postapokalypse Jetzt“ veröffentlicht. Diesmal kamen wir aber schnell zu der Erkenntnis, dass das ganze Material nicht auf eine 12″ passen würde und so ergab sich für uns das Album-Format. Zusätzlich haben wir dann noch ein paar befreundete Produzenten wie Dexter, Brenk, Suff Daddy und MecsTreem mit ins Boot geholt. Zusammen mit der Instrumental-Version von „Kapitalismus Jetzt“ ist dabei musikalisch gesehen so etwas wie eine Triologie entstanden, was auch durch das Cover-Artwork ersichtlich wird. Die futuristische Skyline zerfällt zusehends und steht am Ende nur noch als Ruine am Horizont. Damit endet für uns auch ein mehr als dreijähriger Produktionszeitraum rund um „Kapitalismus Jetzt“. Von diesem Punkt aus können wir uns jetzt wieder anderen Projekten zuwenden.
2. Was gibt es zu den Features und den Gast-Produzenten zu sagen?
Morlockk: Zum Einen haben wir wieder unsere deutschen Lieblingsproduzenten mit auf die Platte geholt. Wie Hiob schon gesagt hat, gab es ja einen musikalischen roten Faden. Das war das eigentlich Spannende dabei, dass die Jungs unsere Vision des Albumsoundbildes interpretieren und weiterspinnen. Das Resultat ist ist dennoch relativ einheitlich geworden. Zu den rappenden Gästen lässt sich sagen, dass wir es endlich mal geschafft haben, eine Fortsetzung des Bestesten Tracks „Ein Job für die Bestesten“ aufzunehmen. Da hatten wir alle schon nicht mehr dran geglaubt, weil es schon echt nicht einfach ist, die vier Alpharüden auf einen Beat zu bekommen. Wir bestehen ja quasi aus zwei Bands, bzw. sind darüber hinaus noch vier Soloartists. Im neuen Song geht es eben um genau diese Problematik: Egomanie, Missgunst, Realitätsverlust… und Augenzwinkern. Das zweite neue Feature ist Karate Andi, den wir krass feiern.
3. Wie lief die Produktion ab?
Hiob: Die Produktion begann eigentlich schon in der Mastering-Phase von „Kapitalismus Jetzt“. Dilemma und ich haben noch mal Terabytes an Samples durchgehört und die Verspultesten haben wir dann weiterbearbeitet. Wir wollten das Soundbild des Vorgängers noch einmal spiegeln und unsere Gastproduzenten haben das dann mehr oder weniger aufgegriffen.Was die neuen Texte betrifft, standen die Konzepte so eigentlich auch schon länger. Einen neuen Bestesten-Track sollte es beispielsweise schon auf „Kapitalismus Jetzt“ geben, aber aus irgendwelchen Gründen kam der dann erst später zustande.
4. Was erwartet den Hörer inhaltlich auf „Kannibalismus Jetzt“?
Morlockk: Es ist einfach die Fortführung von „Kapitalismus Jetzt“: Der Soundtrack zur Privatinsolvenz, die Flaterateparty in den Kollaps, das „nearer my god to thee“ auf der Reling einer untergehenden Gesellschaft.
5. Eine kleine Randnotiz um das Album
Hiob: Ich glaube, am meisten Spaß hat mir die Recherche für „Emmanuelle“ gemacht. Die erste Verfilmung von 1974 spielte ja in Bangkok und kam als Kunstfilm, der sich die sexuelle Befreiung auf die Fahnen geschrieben hatte, daher. In Wahrheit erreichte der Streifen aber nichts anderes als einen Boom des Sextourismus nach Thailand. Vollkommen absurd sind auch die italienischen Black Emmanuelle-Verfilmungen mit Laura Gemser. Weil man nicht wusste, wie man den Wechsel der Hauptdarstellerin erklären sollte, wurde Emmanuelle hier einfach einer Gesichts-OP unterzogen. Das war wirklich noch ganz großes Kino. Dilemma hat übrigens die gesamten Sylvia Kristel-Verfilmungen auf DVD.
6. Track für Track
01. „Schöne Neue Welt“ (HieronymuzRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Der Messias residierte zwischen Wellblechhütten/ Doch sein Gefolge sucht Erkenntnis im Hotelbettkissen“ (Hiob)
Der Song war schon auf „Kapitalismus Jetzt“ das einleitende Intro. Er erzeugt jene retrofuturistische Atmosphäre, die zu einer der Säulen des Albums werden sollte: Einer Zukunftsutopie, die sich jedoch bereits in der Gegenwart abspielt.
02. „Primae Noctis Exclusive“ (Prod.: Morlockko Plus)
Hiob: Lieblingszeile: „Ja, ich plünder die Tourkasse für Acidtrips und geb Konzerte als Schuhplattler auf Festivals“ (Morlockk Dilemma)
„Primae Noctis“ ist einfach nicht mehr oder weniger als der Abriss unseres Tour-Alltags in den letzten Jahren. Seit Mitte 2014 haben wir uns aber ein wenig zusammengerissen. Man wird ja nicht jünger.
03. „Lächel Nochmal Für Mich“ feat. Flo Mega(DexterRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Du hast Romane in deine Laken geweint/ Doch heute bist du der Star in meinem Bukkake-Verein“. (Hiob)
Der obligatorische Liebessong, welcher auf jede Scheibe gehört, und gleichzeitig die Fortsetzung unserer 2007er Schmonzette „Lächel für mich“. Für den Dexter-Remix konnten wir abermals Flo Mega gewinnen, der seine Hook auf das neue Instrumental angepasst hat. So hat der Song einen völlig eigenen Charakter bekommen, der sich stark vom Original abhebt.
04. „Kapitalismus Jetzt“ (Morlockko PlusRemix)
Hiob: Lieblingszeile: “ Ich lebe diesen Rockstarfilm und sticke meine Initialen mit feinsten Roßhaarzwirn.“ (Morlockk Dilemma)
Eigentlich ist es ja selbstreferenzielle Scheiße seine eigenen Texte in einer Zeitschrift zu interpretieren. Ich kann diese Sorte selbstverliebter Spinner wirklich nicht ab. Dieser Track spielt lyrisch aber einfach in einer anderen Liga. (lacht)
05. „Sekt“ (Suff DaddyRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Denn auch wenn der Straßenpöbel schon die Mistgabeln reckt/Deck ich den Tisch voll Dekadenz solang der Chipstapel wächst“ (Hiob)
Ist neben „Kapitalismus Jetzt“ der Track, wo wir am deutlichsten das Albumkonzept propagieren. Es geht um ungebändigten Hedonismus und Großmannssucht als Symptome des Raubtierkapitalismus in einer Gesellschaft, die auf Pump lebt.
06. „Nur Ein Stift“ (Morlockko Plus/HieronymuzRemix)
Hiob: Lieblingszeile: „Heute stinkt dein Atem nach Cognac und der Trog ist gedeckt. Und die Speichellecker folgen dem Schweif deines Eau de Toilettes“ (Morlockk Dilemma)
Hier haben wir mal wieder zu einem unserer Lieblingsrezepte gegriffen: Eine Prise Pathos, zwei Tropfen falsche Bescheidenheit und das ganze dann in ein paar melancholischen Samples ertränkt. Mmmh, köstlich!
07. „Heutzutage“ (HieronymuzRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Die Sorgenfalten sind tiefer, ich weine ehrliche Trän’/Doch sie treten mit Füßen nach meinem Wertesystem“ (Hiob)
Ich feier den Remix von Hieronymuz, weil er tatsächlich noch einen Tacken verspulter ist, als es das Original schon war. Das Sample hat auch wieder diesen Wendy Carlos/Clockwork Orange-Flavour und klingt, als hätte man LSD aufs Trommelfell getröpfelt bekommen. 🙂
08. „Emmanuelle Exclusive“ (Prod.: Morlockko Plus)
Hiob: Lieblingszeile: „Ein Sturm tobt unter dem Feigenblatt, zur Sünde verdammt im Utopia der Leidenschaft.“ (Morlockk Dilemma)
Wer in den Neunzigern das Nachtprogramm des Privatfernsehens verfolgt hat, der kam an „Emmanuelle“ nicht vorbei. Für viele Männer meiner Generation waren diese Filme wahrscheinlich der erste Kontakt mit Titten und Schamhaaren.
09. „Delirium Tremens“ (Morlockko PlusRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Is da ein Weg aus dem Trübsal voller Tränen und Schweiß/ Wer weiß; im nächsten Leben vielleicht“(Hiob)
War hier gar nicht so einfach, Soundmaterial zu finden, was an die Atmosphäre des Originals rankommt. Ich hatte nur für diesen Track noch mindestens zwei Alternativremixe, die aber alle nicht gepasst haben von der Stimmung. Das ist aber auch grad das Spannende am Remixen der eigenen Werke. Der Remix darf das Original nicht zu sehr verwässern, er muss zum Textinhalt passen und sollte dennoch eine neue Noance hinzufügen
10. „Notarzt“ (MecsTreemRemix)
Hiob: Eigentlich kann ich hier gar keine einzelne Line nennen. Dilemmas Reimkette stellt hier einfach so vieles in den Schatten. Ansonsten ist der Track ein wirklich schöner Remix von unserem Homie Max aus Weißensee. Wie ich erfahren habe sitzt der gerade mit MC Bomber an einer Scheibe. Man darf gespannt sein!
11. „Gottesfurcht“ (Morlockko PlusRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Ich hab am Leben gezweifelt und fast die Kurve gekratzt/ Gott hat mich lachenden Auges zum Misanthropen gemacht“(Hiob)
Auch hier war es nicht so einfach, einen Beat passend zur Textmelodie des Originals zu bauen. Die Hook komplett anders intoniert werden. Ich hab hier auch viel mit externem Equipment gearbeitet. Teilweise findet man schönes Samplematerial, was aber nicht fett genug in den Bässen klingt etc. Aber zusätzliches Einspielen kann ein Instrumental enorm aufwerten. Allein für den Bass hab ich einen kompletten Abend am Moog rumgeschraubt. Jetzt hat das Teil auf jeden Fall diesen 70er Pornosoundtrackpathos, den ich haben wollte.
12. „Die Drinks Auf Euch“ feat.Karate Andi(Prod.: Hieronymuz)
Hiob: Lieblingszeile: „Ich pöbel Frauen an an der S-Bahn-Station, doch das liegt nur an meinem Testosteron.“ (Karate Andi)
Wie ich gehört habe soll Andi im Herbst 2017 ja als Bundeskanzler kandidieren. Ich drücke ihm auf jeden Fall beide Daumen.
13. „Ein Hit Ist Genug“ feat. Die Bestesten(Prod.: Morlockko Plus)
Morlockk: Lieblingszeile: „Ich fand’s ja schon beschissen alles mit Yassin teilen zu müssen/ Tantiemen durch vier, einer von vielen Kompromissen“ (Audio88)
Die Trackaussage sollte man natürlich nicht all zu ernst nehmen. Aber man muss schon sagen, dass die gemeinsame Bestestenzeit doch schon sehr anstrengend war. Man muss sich vorstellen, dass da vier schreibende (Dick-)Köpfe an einem Tisch sitzen und man da kreativ immer einen Kompromiss eingehen muss. Aber vorallem die Live-Auftritte waren enorm kräftezehrend, weil es sich bei uns eben auch um vier Trunkenbolde handelt. Ich glaube, bevor wir ein gemeinsames Album realisiert hätten, wäre der eine oder andere an Leberversagen verendet. Umso mehr freuen wir uns, dass wir es zumindest für eine Fortsetzung gemeinsam ins Studio geschafft haben.
14. „Mutterliebe“ (BrenkRemix)
Hiob: Lieblingszeile: „ In ihrem Delta der Wollust tanzte ich den sterbenden Schwan.“ (Morlockk Dilemma)
Ein Lied über Mütter und Liebe – ganz viel Liebe.
15. „Tag Ein Tag Aus“ (HieronymuzRemix)
Morlockk: Lieblingszeile: „Ich zähl die Narben in meinem Räubergesicht/ Doch selbst die tiefsten von ihnen folgen dem Goldenen Schnitt“ (Hiob)
Schöner Halligalli-Track. Noch einmal eine Ode auf die Selbstüberhöhung zum Abschluss der Platte und somit schließt „Kannibalismus jetzt“ nicht ganz so düster wie sein Vorgänger. Was wollen uns die Autoren damit sagen? Ist da vielleicht doch noch ein Funken Hoffnung in diesem Schlachthaus namens Menschheit? Wer weiß…
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