Lange war es ruhig um Taichi. 2014 meldete er sich nun unter dem neuen Namen Aimo Brookmann zurück. Anfang 2015 wird er sein neues Album „Schneckenhauseffekt“ veröffentlichen. Wieso er ein Feature mit Gunter Gabriel hat, wie ihn der Jakobsweg verändert hat, und warum die Videodrehs zum Album kurios waren erfahrt ihr in unserem Interview.
Was für eine Idee/ ein Konzept steckt hinter deinem Album „Schneckenhauseffekt„?
Wir haben im Herbst 2012 angefangen an dem Album zu arbeiten, nachdem ich auf dem Jakobsweg gepilgert bin. Bevor ich mich auf diese Reise begeben habe, war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich keine Lust mehr auf Musik hatte bzw. das Gefühl von Stillstand und Stagnation hatte. Als ich dann mit den Erfahrungen und Eindrücken meiner Pilgerung zurück nach Deutschland gekommen bin, haben Timo Krämer und ich uns zusammengesetzt und das Konzept für das Album entwickelt. Timo hat musikalisch einen komplett anderen Background als ich und so sind seine Produktionen extrem musikalisch und erfrischend für mich. Der Albumtitel beschreibt im Prinzip meinen Zustand vor der Pilgerung. Meinen allmählichen Rückzug aus der Szene in mein eigenes Schneckenhaus und den daraus resultierenden Stillstand. Wenn du dich nicht bewegst, passiert auch nichts. Keine Aktion, keine Reaktion. Das Gegenteil des Schmetterlingseffektes. Das hat der Grafiker des Coverartworks Konrad Tempel auch optisch sehr schön umgesetzt. Auf dem Album geht es genau um diese Problematik und den Ausbruch aus diesem Zustand der Lethargie.
Was gibt es zu dem/den Feature/s zu sagen?
Das einzige Feature auf dem Album (in der Standard Edition) ist Gunter Gabriel. Der Song auf dem Gunter die Hook singt ist ein Countrysong, der meinen ersten und ernsthaftesten Berufswunsch „Cowboy“ thematisiert. Ich war jahrelang fest davon überzeugt, dass ich später Cowboy werde. In dieser Zeit habe ich amerikanische Country Musik gehört wie Jonny Cash und Chris LeDoux. Aus Deutschland gab es da für mich zu der Zeit nicht viel ernstzunehmendes, was authentisch war außer Gunter Gabriel. Also habe ich neben den amerikanischen, echten Cowboys auch Gunter Gabriel gehört. Beim Schreiben meines Songs „Himmelsrichtung Westen“ hatte ich natürlich sofort Gunter im Kopf für den Refrain, habe diesen Gedanken aber direkt wieder verworfen. Nachdem ich ein paar Sänger auf dem Song ausprobiert habe und nichts so richtig gepasst hat, habe ich einfach Gunters Management angeschrieben und ihnen den Song geschickt. Ich hab dann eine sehr nette Antwort bekommen und stand schon ein paar Wochen mit dem Held meiner Cownboy-Kindheit im Studio. Gunter ist ein echt spezieller Typ und ich liebe seine Authentzität. Der Song fällt genremäßig zwar etwas aus dem Raster auf dem Album, aber ist trotzdem einer meiner Lieblingssongs.
Auf der Premium Edition habe ich noch einen Song mit Basstard und Nedey gemacht, der sehr schön geworden ist. In dem Song geht es im Prinzip darum, dass man sich oft selbst im Weg steht und die Freiheit, die man eigentlich hat, nicht richtig nutzt.
Wie lief die Produktion ab?
Die Produktion lief so ab, dass Timo und ich uns Gedanken gemacht haben in welche Richtung das Album gehen soll. Es gab also einen groben Fahrplan und Timo hat dann angefangen zu komponieren. Oft war es dann so, dass wir uns bei ihm getroffen haben und zusammen in die Sachen reingehört haben oder er mir mitten in der Nacht das Ergebnis einer Session geschickt hat. Ich habe mich dann eingeigelt und die Texte geschrieben. Oft hatte ich schon beim ersten Hören sofort eine Idee, wie ich thematisch die Musik ergänzen könnte. Das Schreiben an sich geht dann bei mir relativ schnell. Wenn ich einmal in diesem kreativen Tunnel bin, tauche ich erst wieder auf, wenn der Prozess beendet und der Song fertig ist. Die Inspiration nehme ich dafür aus Erfahrungen, dem Alltag, der Stimmung der Musik und unverarbeiteten Lastern die ich so mit mir herumschleppe. Der Sound des ganzen Albums ist eher düster, ruhig und melancholisch mit einem kleinen Hoffnungsschimmer. Ein düsteres, bedrückendes Bild mit einem Silberstreif am Horizont.
Was erwartet den Hörer inhaltlich auf „Schneckenhauseffekt“?
Inhaltlich geht es um mich und meine Gedanken. Der Titel ist dabei oft Programm und so geht es um Rückzug, Stillstand, Stagnation und den Ausbruch aus diesem Zustand der Lethargie. Es gibt tatsächlich, was relativ untypisch für meine Musik ist, nur einen Song in dem es um Liebe bzw. eine Frau geht. Der Rest der Songs dreht sich um den Schneckenhauseffekt, die Liebe zur Musik und meine Gefühlsuniversen. Angesprochen werden sich Menschen fühlen, die gerne und viel nachdenken. Menschen die Musik an sich heranlassen und die gerne und genau zuhören. Was wir da gemacht haben ist keine „nebenbei Musik“.
Eine kleine Randnotiz rund um das Album?
Ach eigentlich gibt es da nicht die eine, prägende Anekdote. Viel mehr war die Arbeit an dem Album insgesamt sehr schön, erfrischend und lustig. Ich meine wir haben da echt ein ziemlich dunkles, melancholisches Werk produziert, sind aber beide Menschen die auch gerne und viel zusammen lachen. Timos furztrockenen, ironischen Kommentare dominieren da unsere Mailverläufe und verdienen es eigentlich eines Tages noch mal abgedruckt zu werden. Mit der Liebe zur Musik ist es da so eine Sache. Für mich ist schreiben, egal ob meine Songs, oder Chanson oder Popsongs einfach eine wunderschöne Art, mich mit mir und der Sprache zu beschäftigen. Oft sind es nur kleine Wortfolgen, die mir eine absolute Gänsehaut bescheren und in denen so wahnsinnig viel zu finden ist. Ich habe das Glück, Musik als mein Hobby betreiben zu können und bin nicht darauf angewiesen unbedingt viel Geld mit der Musik zu verdienen. Dadurch mache ich auch wirklich zu 100% die Musik, die ich gerade machen will und das ist das schöne daran, was mir die Liebe an der Musik erhält.
Von Track zu Track
1. Antirapper
Antirapper war der erste Song, den wir für das Album gemacht haben. Geschrieben habe ich einige Zeilen schon unterwegs während meiner Pilgerung auf dem Jakobsweg 2012. Ich hatte ein paar Instrumentals auf einem Mp3 Player dabei und habe abends ab und zu in die Beats reingehört. Wenn man über 30 Kilometer am Tag läuft hat man viel Zeit zum nachdenken und so eine Pilgerung ist eigentlich ideal um sich auf ein Album vorzubereiten, auch wenn das in meinem Fall eher zufällig so gekommen ist. Der Dreh zu dem Song war auch sehr interessant. Wir sind mit einem kleinen Team in die Schweiz gefahren und haben dort zufällig im Haus der Schweizer Ski-Legende Bernhard Russi gewohnt, das war echt verrückt! Zu dem Bergsee, den man in dem Video sieht musste man eine gute Stunde mit dem Equipment erst durch einen Fluss waten und dann durch unwegsames Gelände einen Berg erklimmen, das war schon krass. Als sich der Regisseur Marcus Hahnisch dann tatsächlich in das eiskalte Wasser des Bergsees gelegt hat, war klar dass aus Spaß auch schnell bitterer ernst werden kann. Das war also irrwitziger Weise tatsächlich lebensgefährlich, so wie es im Video auch aussehen sollte.
2. Der Weg
Bei dem Song meinte ich zu Timo, dass ich einen schönen, positiven Song über den Weg machen will. Also mal weniger Moll und Melancholie, als bei anderen Songs und von daher schon mal nicht unbedingt unsere Königsdisziplin. Als er mir dann das Instrumental gezeigt hat war es genau das, was ich mir vorgestellt und gewünscht hatte. Der Song hat sich dann quasi von selbst geschrieben. Zu dem Song haben wir dann auch ein Video gedreht für das wir 2000 Kilometer zu dritt in meinem Auto eine Woche durch Europa geballert sind.
3. Schneckenhauseffekt
Der Song ist am Rap-mäßigsten auf dem Album weil er ziemlich nach vorne geht. Es gibt zwei Songs auf dem Album, die den Titel des Albums „Schneckenhauseffekt“ konkret aufgreifen und unterschiedlich beleuchten. Der Song will auf jeden Fall heraus aus dem Schneckenhaus. Das Video dazu hat auch sehr viel Spaß gemacht.
4. Schon okay
Das ist momentan mein Lieblingssong. Ich mag Balladen und dieser Song ist eine extrem nahe, intime und authentische Geschichte wie sie vermutlich jeder schon mal erlebt hat. Das Instrumental dazu war ursprünglich für einen anderen Song als Remix vorgesehen, hatte dann aber so viel eigene Seele, dass ich einen eigenen Song darauf schreiben musste. Das ist auch der einzige Song meiner Karriere, bei dem ich eine komplett geschriebene und recordete Strophe verworfen habe um es neu und besser zu machen.
5. Halt mich
Das ist ein ganz schöner, auflockernder Song. Vielleicht kein Hit und wenn man Timo nach seiner Meinung zu seinem Instrumental für diesen Song fragt, ganz sicher kein Hit – aber ich mag den Song. Er plätschert schön, positiv vor sich hin und man kann nach den bisherigen Songs mal verschnaufen. Ich musste zwar dafür kämpfen, dass der Song es aufs Album schafft aber ich denke der Kampf hat sich gelohnt. Im übrigen bin ich nicht religiös, was dieser Song eventuell implizieren könnte – aber ich glaube.
6. Himmelsrichtung Westen (feat. Gunter Gabriel)
Ich wollte schon lange einen Countrysong machen und voila hier ist er. Schon beim Schreiben dachte ich, wie gesagt, den Refrain muss eigentlich Gunter Gabriel singen, ein Held meiner Kindheit. Nachdem ich mit einigen Sängern im Studio war und nichts richtig passte, habe ich Gunters Management angeschrieben und zwei Wochen später stand ich mit Gunter im Studio und der Song war perfekt. Ein riesen Traum für mich und ein Video bei dem ich auf einem Pferd durch die Steppe galoppiere. Großes Cowboy-Kino!
7. Wintertag
Ein sehr ruhiger Song mit sehr schönen Zeilen wie ich finde. Wir haben einige Refrains auf dem Song ausprobiert und uns am Ende gegen einen Refrain entschieden um der Musik ihren Raum zu geben.
8. Zieh mich zurück
Von mir auch liebevoll „Teer-Song“ genannt. Ich habe bei dem Song immer ein Meer aus Teer vor Augen und den Tod, wie er im Schneckentempo in seinem Kahn auf diesem Meer aus Teer stakt. Das ist der zweite Song der sich mit dem Titelthema des Albums beschäftigt, allerdings etwas düsterer. Dieser Song ist dunkelstes schwarz und tiefste Depression. Die absolute Leere und Stagnation. Ich mag diesen Song sehr und den Flavour den der Song hat. Das Video dazu war auch eine krasse Erfahrung. Ich stand nackt, nur von Schlamm bedeckt stundenlang in einem relativ kühlen Greenscreen-Studio. Es war bitter kalt, aber für die Bilder hat sich jede Sekunde gelohnt.
9. Angst
Ich habe auf meinem letzten Album „Therapie“ 2008 schon einen Song über Zwangsneurosen gemacht und finde das Thema einfach faszinierend, nicht zuletzt weil ich selbst ein paar Neigungen in diese Richtung habe. Der Song hat auf jeden Fall Power und Flow-Freunde kommen auf ihre Kosten
10. Nochmal reden
Ein sehr ruhiger, melancholischer und emotionaler Song. Quasi unsere Königsdisziplin. Schon die ersten Zeilen sind wunderschön, wie ich finde und können den Song besser in Worte fassen als ich es jetzt könnte: „Wir 2 gegen den Rest der Welt / Es gibt kein Klebstoff der Versprechen hält / Waren ein Team, das auf direktem Weg zum Sieg / Plötzlich verletzt im Regen liegt…“
11. Eindrücke
Der Song ist ein Puzzle aus verschiedenen Eindrücken und ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich zu dem Song die geringste, persönliche Verbindung auf dem Album habe. Ich denke aber, dass er das Album etwas auflockert und ein guter Gegenpol zu all der Schwere und Dunkelheit ist.
12. Katastrophe Notwehr
Bei dem Song geht es um unsere Erde. Das Instrumental hat sehr ruhige und schöne, positive Strophen. Im Pre-Chorus zeichnet sich dann eine lauernde Gefahr ab und im Refrain gibt es voll auf die Zwölf. Thematisch hat sich mir da eine kritische Betrachtung unseres Seins auf diesem Planeten aufgedrängt.
13. Geburtstag
Ein Thema, welches ich so noch nie behandelt geschweige denn irgendwo mal gehört habe. Trotzdem denke ich, dass dieses Thema viele beschäftigt. Aber am besten einfach mal den Song hören.
14. Musik statt Beats
Auch ein sehr schöner Song, der das Thema von „Antirapper“ behandelt und positiv beleuchtet. Ich liebe das Instrumental, weil es so viel positives und hoffnungsvolles für mich ausstrahlt. Der Titel des Songs ist dabei Programm.
15. Ich danke Allen
Ein Gedicht von Paulo Coelho das ich seit vielen Jahren in meinem Herzen trage und gerne mit meinen Hörern teilen wollte. Danke!
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