Aaron Scotch veröffentlicht am 23. Januar seinen Longplayer „In den Wolken“. Bei uns im Interview sprach er über die Entstehung des Albums und seine ehrgeizigen Pläne. Im Interview erfahrt ihr unter anderem warum er für sein neues Album einige seiner Sneakers verkaufen musste.
Was für eine Idee/ ein Konzept steckt hinter deinem Album „In den Wolken„?
Vor etwa vier Jahren, nachdem ich mit „Unterschätzt“, „Erinnerung“ und „Kein Schmerz – Kein Ruhm“ bereits zwei Soloalben und ein Kollabo-Album abgeliefert hatte – welche in meiner Region wie Bomben einschlugen – hatte ich in meiner Region nach nur wenigen Jahren eine scheinbar riesige Anhängerschaft von echten Fans, welche nur so lechzten nach einer weiteren Scheibe von mir. Da ich selbst weder wusste, wie ich die möglichen Erwartungen erfüllen sollte, noch zufrieden war mit meiner Entwicklung als Rapper, brauchte ich erst mal Abstand und eine Pause. Weiter machen, ohne die Richtung zu kennen? Ausgeschlossen!
Drei Jahre später war es dann so weit, ich hatte genug Abstand, den Erwartungsdruck von meinen Schultern geschlagen und die Überzeugung, dass ich mein Potential längst nicht ausgeschöpft hatte. Also ging es wieder ab ins Studio mit dem Ziel meinen Rap und meine Stadt Dresden endlich bundesweit auf den Plan zu bringen! Ich wollte der nächste heiße Newcomer oder vorerst wenigstens der Geheimtipp sein, über den sie in ganz Deutschland leise tuscheln.
Ein Konzept gab es nicht, da ich dieses Album trotz meiner ehrgeizigen Pläne in erster Linie für mich selbst machen wollte. Ich brauchte Bewegung und wollte mich austesten. Ich wollte miese und atmosphärische Beats von Übersee, neue Flows probieren, eine andere Art zu betonen entwickeln und einen neuen Stil Addlips zu setzen – eine Generalüberholung, eine neue Herausforderung, um wieder den Spaß und den Hunger an Rap zu entwickeln. Ich selbst habe das Album während der ganzen Zeit immer als mein Debütalbum betrachtet und mir vorgestellt, ich wäre völlig neu im Spiel und keine Sau kennt mich – nicht einmal in meiner Stadt. Was mir in den Sinn gekommen ist, habe ich umgesetzt und ich habe noch nie so cool, so lässig und so gut gerappt, wie auf diesem Album und jedes mal festgestellt, dass ich noch lange nicht am Ende von meinem Potential bin. Ich bin jetzt hellwach und beiß mich hoch – auch wenn es noch so lange dauern soll!
Was gibt es zu dem/den Feature/s zu sagen?
Das ist ne super Frage, denn ich wollte eigentlich keine Features haben und da hätten wir gleich zur nächsten Frage springen können. Das Album hätte definitiv auch keine Features nötig gehabt. Da ich aber mit dem Plusmacher gemeinsam auf Tour war und wir cool waren, kam auch schon das erste Feature zustande. Damion Davis wollte ich schon vor Jahren auf meinem „Erinnerung“ Album haben und MOB, als Dresdner, musste schließlich einfach mit drauf. Wenn ich schon Gäste auf meinem Album habe, dann muss wenigstens auch ein Rapper aus der eigenen Stadt dabei sein.
Wie lief die Produktion ab?
Da ich ausschließlich Rap aus den Staaten pumpe und null Interesse an diesen typischen Deutschrap-Produktionen hatte, habe ich also zunächst wochenlang das Internet nach den richtigen Produzenten durchwälzt, wodurch ich auch meinen neuen Stammproduzenten Van Workum aus den Niederlanden gefunden habe – eine echte Koryphäe, welche schon für Jungs wie Meek Mill oder B.O.B. Produziert hat. Wir stehen auch jetzt nachdem die Produktion beendet ist, regelmäßig über Whatsapp in Kontakt und er wird auch zu meiner Release Party in Dresden anwesend sein. „Präsenz“ featuring Damion Davis und „Blut für Blut“ sind die einzigen Beats welche von Deutschen produziert wurden. Der „Präsenz“ Beat stammt von Nuri „Nusick“ Singör – welcher auch mein Album im Digipendenzia Studio gemixt und gemastert hat – und „Blut für Blut“ wurde von mir selbst geschraubt.
Um die ganzen Beats zu bezahlen, musste ich sogar ein paar meiner geliebten Adidas Sneaker verkaufen. Irre!
Was erwartet den Hörer inhaltlich auf „In den Wolken“?
In erster Linie Rap aus dem Leben. Ich habe einfach meine Erfahrungen, Stimmungen, Eindrücke, Gedanken und Erinnerungen schnörkellos ins Mikrofon übersetzt. Keine Show, kein Mutterficken, keine Fantasiesprache. Ehrlich, roh, atmosphärisch. Der größte Teil der aktuellen Rap-Musik ist ja eher poppig bis „Indieband-artig“ und handelt von guter Laune & Party oder Orientierungslosigkeit und Selbstzweifeln. So etwas fühle ich null. Ich muss täglich sehen, wie ich an meine Kohle komme, habe einen erblindenden Vater und eine Mutter, die schon seit einem Jahr arbeitsunfähig ist. Das nervt und spiegelt sich natürlich auch in der Musik wieder.
Eine kleine Randnotiz rund um das Album?
Eine Randnotiz zum Album fällt mir jetzt spontan nicht ein, das komplette Album stammt aber aus meinen Händen. Ich habe es zu großen Teilen selbst finanziert, mich selbst aufgenommen und die Songs arrangiert, die Grafiken gemacht und die Videos selbst geplant und geschnitten. In der Entstehungsphase gab es definitiv oft schwierige, aber auch extrem schöne Zeiten und wenn man „In den Wolken“ hört, wird man eine immense Steigerung zu meinen alten Alben feststellen. Man wird hören, dass ich trotz der Hürden eine Menge Spaß dabei hatte und mein Hunger längst nicht gestillt ist. Vielleicht auch gerade wegen all der Widrigkeiten.
Von Track zu Track
Ich bin der Meinung das man über die Lieder selbst nicht reden sollte. Die Leute sollen sie hören, deshalb werde ich mich kurz fassen.
In den Wolken beginnt mit dem gleichnamigen Intro, welches ursprünglich etwas länger war. Ich musste den Anfang aber etwas kürzen, da ich ein Versprechen an eine Person geben musste, über gewisse Dinge nicht zu reden. Leider hat es dadurch an seiner Kraft verloren.
Ich will mehr ist gewissermaßen ein Lied für meine Eltern, jedoch nicht nach dem üblichen Softie-Schema sondern mit Power. Verpackt hab ich das Ganze in einem miesen, atmosphärischen Beat mit ernstzunehmenden Ansagen. Sehr starkes Lied und sehr untypische Umsetzung.
Ich drifte kommt ebenfalls mit einem richtig miesen atmosphärischen Beat um die Ecke und ist einer meiner absoluten Lieblingstitel. Es gefällt mir besonders gut, weil ich es in einer gefühlten Stunde geschrieben und ins Mikrofon geprügelt habe. Das Lied hat weder eine feste Struktur, noch ist es ansatzweise gefällig. Davon will ich noch mehr machen.
Die Idee für Blut für Blut ist mir gekommen, weil ich einen sehr guten Freund habe, zu dem ich nur selten Kontakt habe. Immer wenn wir uns sehen, hab ich jedoch das Gefühl, als hätte ich erst gestern mit ihm draußen an der Ecke abgehangen. Ein Lied für echte Freunde.
WBS70 das erste Lied ,welches ich für das Album gemacht habe und der Plattenbautyp in dem ich groß geworden bin. Der Track hat echtes Hit-Potential.
Cosmos folgt direkt auf WBS70, da ich mich in diesem Lied von meinem alten Block verabschiede, welcher momentan zurückgebaut wird.
„Ich kann nie wieder an den Ort meiner Jugend zurück, aus meinem Leben fehlt in Zukunft ein Stück. Ich dachte immer ich komm mal her mit meinen Kindern, machs gut Großer ich werd mich gern an dich erinnern.“
Tiefschlaf ist das zweite Lied welches ich für mein Album gemacht habe. Wer in den Neunzigern aufgewachsen ist und die ersten paar Sekunden vom Beat hört, wird schmelzen. Inhaltlich geht es um meine damalige Situation und wie meine Stadt und die Leute, die hier leben, langsam immer abgefuckter werden.
„Meine Stadt verfällt dem Wahnsinn, da man Meth leichter als Gras kriegt…“
In Eines Tages geht es um das Fernweh, welches dich hin und wieder packt, wenn du mit ansiehst, wie alles um dich herum hässlicher wird. Wenn ich den Beat höre, hab ich sofort das Gefühl wieder in der Karibik zu liegen und weit und breit ist kein ekelhafter Wichser, der mit Bierflaschen auf Autos wirft oder „Klatschies“, die sich mit jedem boxen wollen, weil sie zwei, drei Bier zu viel im Turm haben. Sehr schönes Lied!
Präsenz – endlich hab ich mein Lied mit Damion Davis. Gefällt mir, wenn dieser Mensch singt!
Bei Unterstatement stell ich eindrucksvoll unter Beweis, was ich so auf dem Kasten habe und MOB stellt eindrucksvoll unter Beweis, was er für eine brachiale Stimme hat. Der Beat ist ebenfalls sehr eindrucksvoll.
RKTN ist ein „klassischer“ Storyteller inspiriert durch drei Geschichten von drei verschieden Kindern aus meinem Block, mit denen ich befreundet oder angefreundet war. Leider habe ich die erste Aufnahme versehentlich gelöscht und es nicht geschafft das Feeling, welches ich bei dem Song hatte, erneut zu 100% rüber zu bringen. Der Beat ist auch wieder absolut „endcreme“.
GTKC ist eindeutig ein Lied für Leute aus meinem Umfeld und Herrschaften, die ihre Wochenenden gern mal bei „Ackis Bierstube“ (Stammkneipe in Dresden) verbringen oder zum Fußball fahren. Etwas Augenzwinkern, ein Funke Selbstkritik und etwas Übertreibung machen es perfekt. Obwohl – Übertreibung ist in dem Lied erschreckender Weise eigentlich kaum zu finden. Das Teil macht auf jeden Fall extrem Laune.
Wenn du breit bist mit Plusmacher zählt ebenfalls zu meinen absoluten Lieblingsliedern! Wie souverän ich mich da über den Beat ergieße, ist einfach fabelhaft. Plusmacher hat sich aber auch richtig ins Zeug gelegt und wollte mir ernsthaft die Show stehlen…
ZX8000 war gar nicht als letztes Lied angedacht und ist doch das perfekte letzte Lied. Nach dem Gerät will man das Album sofort wieder von vorne hören.
„In den Wolken“ erscheint am 23. Januar und kann hier vorbestellt werden.
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