Vandalismus im Interview über sein neues Album, Debattenkultur und Männlichkeit

Seit über zehn Jahren veröffentlicht Vandalismus stetig neue Musik. Dabei trug er diverse Künstlernamen, von Destroy Degenhardt, Disko Degenhardt bis hin zu seinem aktuellen Namen Vandalismus. Vor drei Jahren haben wir ihn das letzte Mal getroffen, um über sein damaliges Album „Das Handbuch des Giftmischers“ zu sprechen. Nach diesem Album machte der Künstler erstmals einen Cut und nutzte die Zeit, um sich ein bisschen um sich selbst zu kümmern. Vergangenes Jahr brachte das Audiolith-Signing dann sein erstes Album unter dem neuen Künstlernamen Vandalismus raus. 

Ein Jahr nach „Freunde lügen nicht“ kommt bereits das zweite Album unter diesem Namen. „Gloria und Schwefel„, wie die Platte heißt, wird am 04. September veröffentlicht. Im Interview sprechen wir mit ihm über Inspiration, Männlichkeit und seine Entwicklung der letzten Jahre. 

Zunächst wollten Vandalismus und ich uns zum Interview in Hamburg treffen. Jedoch konnte das Treffen aufgrund einiger verschobener Termine doch nicht stattfinden, sodass wir uns an einem Donnerstagabend zum Telefoninterview verabreden. Frisch geduscht und in luftiger Thailandhose meldet sich Vandalismus gut gelaunt am Telefon. Bevor wir näher auf sein kommendes Album eingehen, sprechen wir über seine Entwicklung der letzten drei Jahre.

Kein Neuanfang, aber ein Cut 

Nach der Veröffentlichung von „Das Handbuch des Giftmischers“ 2017, machte der Rapper zunächst einen Cut. „Ich habe sonst relativ steady releast, war immer sehr fleißig, eher schon fanatisch. Ich hab dann erstmal einen Cut gemacht und zum ersten Mal nach acht Jahren Alles beiseite geschoben und mich ein bisschen um mich gekümmert.“ Ein Neuanfang würde laut Vandalismus zu dramatisch klingen, aber er nutzte die Zeit, um wieder locker zu werden und seiner Kreativität neuen Raum zu geben. Der neue Name entstand ebenfalls in diesem Prozess. „Ich hab’s auch bisschen bereut mit dem Degenhardt, dass das immer so klang wie ein normaler Name. Am Anfang habe ich mich aber nicht getraut, mir einen coolen Namen zu geben.“ Als er dann zwei neue Namen in der engeren Auswahl hatte, wollte er keine halben Sachen mehr machen und entschied sich schlussendlich für Vandalismus. „Ich fühle mich jetzt mega wohl damit.“ Zuvor hatte er immer einen Plan im Kopf wenn es um seine Musik ging, diesmal wollte er ohne einen solchen Plan an die Sache herangehen. Dabei beschreibt er, dass er neben der tiefen und persönlichen Musik der letzten Jahre wieder mehr hin zu einer kindlichen Ehrlichkeit wollte. Nachdem er auf „Freunde lügen nicht“ ein bisschen Krawall gemacht hat, vereint er auf dem kommenden Album „Gloria und Schwefel“ beides. 

Zum Vorgang Musik zu machen, erzählt er mir, dass er immer anfängt sich zunächst Beats rauszusuchen. Die Auswahl orientiert sich an seiner aktuellen Gefühlslage und an seinem kreativen Standpunkt. „Der beste Moment ist generell immer der, wenn man einen neuen Ordner anlegt und so richtig am Nullpunkt ist.“ Wenn er eine Vorauswahl an Beats getroffen hat, geht er an schon bestehende Texte von sich, und schaut, ob er von dort einen Ansatz übernimmt oder ob er ganz von vorne anfängt. Früher konnte er seine eigene Musik meistens nicht hören und war sehr selbstkritisch. Bei der Frage, ob sich das geändert habe lacht er und sagt, dass er auf jeden Fall näher dran ist. „‚Rapmusik im Straßengraben‘ war der erste Song, den ich richtig gerne gehört habe.“ Dennoch strebt er mehr danach, inspiriert und zum Nachdenken angeregt zu werden – durch Inhalte, die er noch nicht kennt. „Ich will Input und wenn ich meinen Output als Input nehme, dann ist das ein bisschen wie Inzest.“ 

„Das Konzept war halt schon immer Kuddelmuddel, das sich schon gegenseitig befruchtet und Sinn ergibt.“ Mit dieser Herangehensweise verbindet er auf „Gloria und Schwefel“ Themen wie Body Shaming, Männlichkeit und seine Außenseiter Position. Mit der Außenseiter Position ging auch immer die Zuordnung zum Untergrund einher. Vandalismus sagt selbst: „Die alten Sachen waren noch ein bisschen nischiger. Damals habe ich nicht so gut verstanden warum das so nischig ist.“ Dabei geht er auch darauf ein, dass andere vielleicht einen Song über den Sommer machen und nicht so persönlich und tiefgründig in ihrer Thematik sind. „Natürlich ist dann im Verhältnis meine Mucke bisschen anders.“ Heute kann er seine Rolle aber besser nachvollziehen und akzeptieren. „Da gibt es einfach eine Sparte in der ich mich sehr gut fühle.“

Warum Untergrundrap „guter Rap“ ist 

In seinem Song „Rapmusik im Straßengraben“ sagt er, dass guter Rap für ihn Untergrundrap ist. Bei der Frage, nach seiner Meinung zur aktuellen Rapbranche, bezieht er sich auf sein kommendes, aber auch das letzte Album, in denen er deutlich Kritik an der Szene äußert. „Rap entfernt sich immer mehr von Rap und geht immer mehr in Poprichtung.“ Vandalismus findet, dass es in Deutschland an der Benennung verschiedener Genres fehlt. Zu viel würde dem Deutschrap zugeordnet werden. „Dass man versucht, alles in einen Topf zu schmeißen oder allgemein zu bewerten geht halt garnicht.“ Ihm geht es dabei nicht darum, bestimmte Musikrichtungen schlecht zu machen, nur dass die konkrete Einordnung eine bessere Basis für Gespräche liefern würde. „Lass uns doch über intelligenten Underground Shit wie Kamikazes reden, lass uns doch über Party Trash wie Lil Shrimp oder über R’N’B Rap reden. Lass doch jedes Genre cool beleuchten, ist doch viel interessanter.“ 

 

Debattenkultur und Cancel Culture

Wir sprechen auch über seine Meinung zum Journalismus in der Rapbranche. Auf seinem Song „Parasit“ kritisiert er die unzureichende Berichterstattung über Untergrundkünstler*innen und den Umgang mit kontroversen Themen. „Mich stört stark, wie wenig reflektiert und kritisch mit fragwürdigen etablierten Künstlern umgegangen wird.“ Damit im Zusammenhang beschäftigt Vandalismus auch das Thema Debattenkultur und Cancel Culture. Er beschreibt den Umgang mit kritisch zu hinterfragenden Themen als schwarz-weiß-Denken. Er führt zwar auch an, dass in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht wurden, jedoch sieht er die aktuelle Cancel Culture kritisch. „Da muss ein Diskurs einhergehen. Canceln finde ich wäre so die letzte Instanz. Warum wird das Potenzial für Diskurs so ängstlich und komisch behandelt.“ Er führt auch an, dass Diskussionsrunden zu einigen Themen interessant für ein größeres Publikum wären. „Das wäre doch wirklich mal Content. Ich bin mir sicher, dass das auch mehr Leute interessieren würde.“ 

Dass Vandalismus ein Film Nerd ist, der gerne Samples aus Filmen und Serien in seine Songs einbaut, ist bekannt. Auch auf diesem Album kommen einige Sequenzen zusammen. So bestehen die Tracks „Anfang“ und „Ende“ komplett aus Film- beziehungsweise Seriensequenzen. Wie die Titel schon sagen bilden diese beiden auch den Anfang und das Ende des Albums. Auch in der Album-Mitte findet sich ein Instrumental, das ein Serien-Sample enthält. Bei der Frage, was die Idee hinter dem Track „Plan B“ war, lacht Vandalismus. Der Grund warum das Instrumental auf dem Album gelandet ist, ist schlicht und einfach der, dass Vandalismus den Beat gefeiert hat, der nebenbei bemerkt von den Kamikazes produziert wurde. Aber der Versuch, auf den Beat zu rappen, klappte nicht so wie gewünscht. „Ich bin auf den Beat nicht klar gekommen vom Takt und vom Beat und so.“ Da Vandalismus aber großer Fan von instrumentaler Musik ist, wollte er den Track mit auf dem Album haben. Das Sample auf „Plan B“ stammt von der Serie „Dispatches from elsewhere“. Die im März 2020 erschienene Serie ist von und mit Jason Segel, der bekannt ist aus „How I Met Your Mother“. Vandalismus selbst beschreibt die Serie als liebevoll und skurril. Der Großteil der anderen Samples ist aus der amerikanischen Netflix Serie „The Pose“

  

Männlichkeit und Männerfreundschaften

Auf „Maskulina“ thematisiert der Rapper seine Gedanken zum Männlichkeitsbild unserer Gesellschaft. Im ersten Part des Songs geht er primär darauf ein, wie er Männlichkeit, vor allem in seiner Kindheit und Jugend, empfunden hat. „Ich war schon immer ein eher schüchternes und sehr sensibles Kind. Ich bin auch hochsensibel diagnostiziert. Das ist einfach alles Real Talk.“ Im zweiten Part redet er über die Schwierigkeiten für ihn mit dem Thema Männlichkeit umzugehen und mit Leuten klarzukommen, die zum Beispiel ein anderes Männlichkeitsbild haben als er. Als ich ihn Frage, wie er heute mit dem Thema umgeht erzählt er mir von seinen heutigen Männerfreundschaften. „Inzwischen hab ich einige Männerfreunde die dieses Bild für mich wirklich schön machen. Die genau das sind, die genau das haben, die genau so warmherzig und für mich in dem Sinne ungegendert sind so wie ich mich selber auch wahrnehme.“ Obwohl er auch Freunde hat, die ein anderes Männerbild verkörpern als er. „Ich habe auch trotzdem noch bisschen prolligere Freunde, ich hab auch Männerfreundschaften, wo man nicht über Gefühle spricht. Da musste ich aber auch erst einmal lernen, man kann das vielleicht nicht mit jedem, aber das heißt auch nicht dass derjenige ein schlechter Mensch ist.“ Eine Thematik, die nicht immer einfach für Vandalismus war. 

Monchhichis in Moskau 

Der vorletzte Song auf seinem Album fällt ein bisschen aus der Reihe im Vergleich zum Rest. Der Track „Cheburashka“ besteht aus Gitarrenklängen und ist lediglich zwei Minuten lang. Als ich nach der Intention dahinter frage, erzählt mir Vandalismus von seiner Punkband, die er nebenher noch hat. Die Gitarre auf „Cheburashka“ wird von seinem langjährigen Punkband-Kollegen Cherrymann gespielt, der nebenbei bemerkt auch den Muskelmann im Musikvideo zu „Maskulina“ spielt. Eigentlich war der Song als Intro gedacht, landete aber schlussendlich am Ende des Albums. „Den Text habe ich in Moskau vor’m Supermarkt geschrieben, während ich auf meine Frau gewartet hab“ erzählt er mir lachend. Cheburashka bezeichnet eine russische Puppe, von der mir Vanda im Anschluss an unser Interview noch ein Foto schickt, da ich noch nie zuvor davon gehört habe. Dabei ähneln diese Puppen ziemlich stark den sogenannten Monchhichis, eine japanische affenähnliche Puppe. Lustigerweise hat Vanda auf einer Reise nach Japan fake Cheburashkas gefunden und bei seinem Aufenthalt in Moskau fake Monchhichis. 

Nach über einer Stunde Gespräch habe ich das Gefühl, Vandalismus gut kennengelernt zu haben. Wir tauschen uns nicht nur über die Hintergründe seines neuen Albums aus, sondern besprechen auch größere Themen wie die aktuelle Debattenkultur im Deutschrap und das Männlichkeitsbild in der Gesellschaft. Bevor wir zum Ende kommen, frage ich ihn, ob das Album sein persönlichstes ist. Die Frage verneint er. Seine früheren Alben waren weitaus persönlicher in den Themen, die er dort behandelt hat. Dennoch beschreibt er „Gloria und Schwefel“ als ein persönliches Album, dass seine aktuelle Gefühlslage und Themen die ihn beschäftigen vereint. „Ich fühle mich mit dem Ding wie es jetzt ist gerade mega wohl.“ Mit diesen abschließenden Worten bedanke ich mich bei Vandalismus und wir verabschieden uns.