Umse und Deckah – Untergrundrapper.
Abseits von endlosen Videoblogs und tausenden Instagramposts siedelt sich Umse an. Still und heimlich. Keine Jagd auf Klickzahlen, keine wahnwitzige Social Media Präsenz. Und dennoch „iller denn je“.
Anstatt jeden einzelnen Schritt, den eine Albumproduktionsphase so mit sich bringt, für die Nachwelt festzuhalten und die Fanbase auf allen möglichen sozialen Kanälen zu bombardieren, packt Umse lieber fast unbemerkt seine Koffer und seinen Produzent Deckah ein und setzt sich kurzerhand nach Holland ab.
Mithilfe der provinziellen Umgebung und einer gesunden Menge des geschätzten „hawaiian snow“-Krauts entsteht dann in zwei Mal zwei Wochen eine runde Platte, die sich sehen – beziehungsweise hören lassen kann und so viel mehr ist, als ein Album, das bei der aktuellen, akuten Markt-Überflutung nach kurzer Zeit wieder in Vergessenheit gerät.
„Setz die Kopfhörer auf und lass‘ mal drei Sekunden laufen
Dann checkst du schon, dass es taugt.“
Umse, im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern scheint der Wert der Internetpräsenz nicht ganz so hoch – man findet dich weder bei Instagram, noch bei Twitter.
Umse: Ich bin kein Fan von Portalen, auf denen ich Bilder von mir poste und dann Likes sammle – das brauche ich einfach nicht. Klar lege ich wert auf Internetpräsenz, da dort ja jeglicher Output promotet wird. Allerdings bleibt Facebook aktuell das einzige – die Sachen, die dort passieren, stoßen auf eine gewisse Resonanz und das reicht mir. Ich finde es ganz sympathisch, wenn man nicht so aufdringlich ist und jeden Tag etwas belangloses postet, nur um Klicks zu generieren. Außerdem würde ich sagen, dass man sein Publikum auch ein Stück weit züchtet. Würde ich täglich Bilder von mir posten, würden die Leute das auch erwarten.
Da ich das aber so nie gemacht habe, hat sich ein Publikum gebildet, das damit zufrieden ist, dass ich es bei der Musik belasse. Mein Publikum ist schlichtweg so wie ich auch wäre.
Seit wenigen Tagen ist dein fünftes Album „Hawaiianischer Schnee“ draußen. Liege ich richtig mit der Annahme, dass der Titel sich in irgendeiner Weise auf Drogen bezieht?
Umse: Zur Produktion der Platte bin ich gemeinsam mit meinem Produzenten Deckah zwei Mal für zwei Wochen nach Holland gefahren. Dort haben wir uns in einem Bungalow eingesperrt und hatten den Plan, dort die Skizze eines Albums entstehen zu lassen. Wir haben uns ordentlich mit Weed eingedeckt und eine Sorte, die wir extrem gefeiert haben, heißt „Hawaiian Snow“.
Diesbezüglich hatten wir ständig Running-Gags, weshalb ich im Nachhinein länger über das Wort nachgedacht, es übersetzt habe und im Endeffekt den Gegensatz geil fand.
Zum einen ist es ein schöner Oberbegriff für die Zeit, die wir in Holland verbracht haben. Außerdem benennt es so auch das „Qualität hat seinen Preis“-Ding. „Hawaiian Snow“ ist eine der teuersten Sorten und das fand ich sehr ansprechend.
Wie kamt ihr darauf, die Produktion nach Holland zu verlagern?
Umse: Üblicherweise sitzt man zuhause und arbeitet, aber irgendwann stellt sich so eine Gewohnheit ein. Die Ablenkungsfaktoren dort sind ganz andere als die, wenn man in den Urlaub fährt.
Als wir nach Holland gefahren sind, wussten wir, dass wir dafür Geld bezahlen und dass wir in dieser Zeit etwas entstehen lassen wollten – dadurch wird eine Art Druck kreiert, diese Zeit nutzen zu müssen. Es lief dann aber auch: Nach den ersten drei Tagen hatten wir, glaube ich, bereits fünf oder sechs Skizzen. So wäre das zuhause nicht gewesen, weil wir den Eifer nicht entwickelt haben.
Entstand durch diese Umstände eine Form von Kreativdruck?
Umse: Da nach wenigen Tagen schon erste Resultate da waren, die uns wirklich gefallen haben, gab es diesen Druck glücklicherweise nicht. Hätten wir nach den ersten drei Tagen allerdings bemerkt, dass wir mehr Fifa zocken als dass wir etwas anderes tun, wäre der Druck sicherlich entstanden. Der Spaß der Sache war viel zu groß als dass es hätte so werden können, im Gegenteil – wir konnten gar nicht genug kriegen.
Dennoch ist die Zeit relativ knapp bemessen für den Produktionsprozess eines gesamten Albums.
Umse: Wir waren zwei Mal je zwei Wochen in Holland. Dazwischen lagen gut zwei Monate Zeit, in denen wir zuhause waren und uns daran gemacht haben, die Skizzen weiter auszuarbeiten. Das heißt, es wurde auch in der Zwischenphase effektiv gearbeitet und natürlich auch nach der zweiten Holland- Phase. Zum Beispiel haben wir kurz vor der Abgabe unseres Masters noch zwei Songs produziert.
Auf dem Song „Rush hour“ sagt du: „Es interessiert keinen Schwanz, wie lang man an ihr saß – wichtig ist, wie lang sie routiert“ – Wie hat sich denn der Musikkonsum deiner Meinung nach über die Jahre verändert?
Umse: Allein durch den wahnsinnigen Output hat sich der Konsum total verändert. Man braucht sich ja nur auf den beliebtesten Portalen rumtreiben: Es kommt ständig irgendwas.
Vergleicht man das mit der Zeit, in der es noch kein Internet gab, ist das was völlig anderes. Damals hast du im Monat vielleicht ein Album bekommen und nicht direkt am nächsten Tag das nächste. Du hast das Album bekommen und hast das gehört, weil es gerade da war.
Man hat sich viel mehr damit auseinandergesetzt. Heute wird man überladen mit neuem und schätzt das gar nicht mehr so. Man ist viel zu verwöhnt.
Ist es im Jahre 2015 schwieriger geworden, eine nachhaltige Platte entstehen zu lassen?
Umse: Mit der Zeit verändert man ja auch seine Arbeitsweise. Man weiß nach den Jahren, was man will, was man kann und man kann schneller die Ergebnisse erzielen. Deshalb ist es für mich heutzutage leichter, etwas zu erschaffen, das ich auch noch in zwei Jahren gut finde.
Natürlich hat man immer noch den Anspruch, eine Platte zu produzieren, die nachhaltig ist. Das ist in der heutigen Zeit nicht unbedingt einfacher geworden. Man versucht es trotzdem.
Auf der Platte findet man unter Anderem „Versuch’s mal mit Musik“ – Welche Rolle spielt Musik denn für dich als Person und nicht als Künstler?
Umse: Man könnte aus dem Song schon ziehen, dass ich Musik als Therapieform vorschlage.
Ich mache dieses Text-Ding nun schon so lang, dass ich weiß, dass es mir auch ein Stück weit bei der Problemverarbeitung hilft. Beim Schreiben denkt man ja nicht nur über den Text nach, sondern über die Thematik generell. Es geht darum, den Fokus mehr auf Musik zu legen als ausschließlich auf Rap. Man kann aus Musik so unglaublich viel greifen. Es muss nicht immer unbedingt der Text sein, der dir sagt, du sollst doch jetzt bitte endlich mal die Augen öffnen.
Es ist möglich, dass das jemand, der nicht aktiv Musik macht, nicht komplett nachvollziehen kann.
Im Song „Menschen“ übst du eine besondere Form der Sozialkritik aus, lass uns darüber kurz sprechen.
Umse: Das ist eher eine Kritik an der menschlichen Art an sich als an der Gesellschaft. Es geht darum, dass ich das Gefühl habe, dass Menschen viel in ihrem kleinen Kosmos leben und wenig Empathie in sich tragen.
Warum kommen so viele Menschen einfach nicht klar? Warum sind so viele Menschen einfach richtig scheiße?
Ich habe versucht, diese Fragen darin wiederzugeben und wie viele unnötige Eigenschaften Menschen haben. Es passiert viel Oberflächlichkeit. Das alles war Auslöser, um zu fragen, wieso die Welt so scheiße ist und warum es noch so massig Kriege gibt. Warum? Ich meine, dass es weniger davon geben würde, wenn jeder ein wenig mehr nach meiner Einstellung leben würde. Das ist auch leicht gesagt und Quatsch, weil jeder in seiner eigenen Gegenwart ist. Durch solche Songs hinterfragen manche Menschen sich selbst und übernehmen solche Denkweisen. Zumindest diejenigen, die sich angesprochen fühlen.
Sicher gibt es auch welche, die meinen, keine Ratschläge von irgendwelchen Rappern zu brauchen. Wenn Leute den Song nur wegen des musikalischen Aspekts mögen, wird bei denen dennoch unterbewusst etwas passieren.
Ich glaube auch nicht, dass ich in dem Song anfange, den Zeigefinger zu doll zu heben, sondern einfach jedem zumindest ein wenig den Spiegel vorhalte.
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