Einst lebten die Gebrüder Grimm – ihres Zeichens Gründungsväter der Germanistik und berühmte (Märchen)-Autoren. Nun fragt sich, was das deutsche Produktionsteam Snowgoons dazu bewegt, ihr kommendes Album ausgerechnet nach den Brüdern zu benennen. Das Release enthält nicht nur Beats, die wie gewohnt in der Königsklasse rangieren, sondern auch einige internationale Featuregäste, vor denen es sich lohnt, den Buckethat zu ziehen.
Wir haben es uns nicht nehmen lassen, die Snowgoons zum Interview zu treffen und sie zum Produktionsprozess, der Gemeinsamkeit zwischen Hip Hop und der Märchenstunde und dem Schwierigkeitsgrad von Zusammenarbeiten aus Übersee zu befragen.
Am 04.09. feiert eure neue Platte „Gebrüder Grimm“ Release. Lasst uns zuerst einmal uber den Titel sprechen. Welche Story steht dahinter?
Also im Grunde sind wir darauf gekommen, als wir merkten, dass es ein paar Überschneidungen gibt. Zum Beispiel sind die Gebrüder Grimm dafür bekannt, Erzählungen verschiedenster Herkunft in einem Werk zu vereinen. Auch stammen sie zwar aus Deutschland, sind aber beispielsweise ebenso international für ihre Werke bekannt. Der Titel diente als Inspirationsquelle und passt einfach sehr gut.
Die Gebrüder Grimm sind im speziellen auch für ihre Märchen bekannt. Gibt es Parallelen zwischen euch?
Im Hip Hop spielt Storytelling eine große Rolle.
Übertragend könnte man sagen, dass jeder Song auf dem Album sein eigenes Märchen erzählt.
Was nicht heißen soll, dass alle nur „Märchen“ erzählen. *lacht*
Wie darf man sich den Ablauf des Produktionsprozesses der Platte vorstellen?
Speziell bei diesem Album haben wir uns Gedanken gemacht, welcher US-Rapper mit welchem deutschen Rapper zusammenpassen würde, welche Kollaboration besonders interessant klingt.
Als die Artists ausgesucht waren, wurden Beats für die entsprechenden Künstler produziert und im Gegensatz zu den Kollaborationen mit Solo-Künstlern wie M.O.P. („Sparta“) oder Onyx („#Wake Da Fuc Up“) ist das Ganze bei solch einem Mammut- Projekt natürlich nicht immer ganz einfach.
Inwiefern ist es schwieriger, an einem Produzentenalbum zu arbeiten?
Das schwierigste ist die Koordination.
Bei einem Projekt wie diesem müssen wir eben Tonnen von E-Mails bearbeiten und fast täglich einige Anrufe tätigen. Als Solo-Künstler kümmerst du dich um deine Beats, ein paar Features, das Artwork und so weiter, wenn Du aber mit 35 Solo-Artists gleichzeitig arbeitest, sieht die Sache etwas anders aus. Rein Beattechnisch werden wir natürlich auch gerne auf die Probe gestellt. Wir hören oft: „Schickt bitte so einen richtigen Snowgoons-Kracher“ damit sind die epochalen, sample-lastigen Brecher gemeint. Wir bevorzugen allerdings Abwechslung, ein Album welches unsere stilistische Bandbreite widerspiegelt und auch dramaturgisch etwas zu bieten hat. Am Ende eine Platte dieser Art in der Hand zu halten, ist dann ein besonderes Gefühl.
Wie schwierig ist es, die gemeinsame Vorstellung der Platte den nationalen und internationalen involvierten Kunstlern zu vermitteln?
Sobald mehrere Leute an einem Projekt beteiligt sind, gibt es viele gute Ideen und Ansichten. Da ist es selbstverständlich, dass nicht immer genau deine Idee umgesetzt wird. Aber da kommen wir zu einem wichtigen Punkt. Wir können inzwischen sagen, dass genau dieser Input und die Freiheit eine Idee zu entwickeln, letzten Endes zu besseren Songs führt.
Teilt ihr unter musikalischen Aspekten betrachtet in etwa die gleiche Meinung? Oder wird im Studio auch mal per Faustkampf entschieden?
Wir setzen die Snowgoons-Projekte so zielstrebig wie möglich um und versuchen erst gar nicht etwas tot zu diskutieren. Tatsächlich kann jeder von uns vieren auch seine verrückteste Vorstellungen mit einbringen.
Aber es passiert dabei so gut wie nie, dass sich unsere Visionen dann so drastisch unterscheiden, dass wir wirklich aneinander geraten. *lacht*
Wie läuft bei euch die Auswahl der Featuregaste ab?
Im Grunde stellen wir eine Liste mit Wunschkandidaten zusammen und kümmern uns dann um die Realisierung.
Die Zusammenarbeit gerade mit Künstlern aus Übersee gestaltet sich sicherlich nicht immer einfach. Was sind die bisher großten Schwierigkeiten gewesen?
Wie wir wieder speziell mit diesem Album erfahren haben, ist die Zusammenarbeit mit US-Künstlern oft weitaus einfacher als angenommen wird.
Allerdings haben einige Manager das dringende Bedürfnis, den Künstlern im Weg zu stehen. Da kann es schon mal vorkommen, dass eine vielversprechende Kollaboration das Management kalt lässt und die Zusammenarbeit vorerst scheitert. Wenn wir mit dem Künstler direkt in Verbindung stehen, stellt sich schnell raus, ob die Chemie stimmt. Da kann ein Management manchmal eher hinderlich sein.
Wie lauft im Allgemeinen die Zusammenarbeit ab, wie sehen die einzelnen Arbeitsschritte von erstem Konzept bis hin zum Release aus?
Das unterscheidet sich von Release zu Release.
In diesem Fall hatten wir den Titel als erstes und somit auch die Topics für einige Songs.
Dann haben wir Instrumentals produziert, verschickt und die Künstler haben sich ihre Granate rausgesucht. Wenn sich die Möglichkeit ergeben hat wurden die Songs zusammen mit den Künstlern aufgenommen. Als einige Songs fertig waren und klar wurde was das Album für eine Atmosphäre tragen wird, konnten wir uns um das passende Artwork kümmern. Es ist generell hilfreich, wenn das Artwork vorhanden ist und den Künstlern eine gewisse Stimmung vorgibt. Als der letzte Song im Kasten war wurden die Songs final gemischt, arrangiert und die restlichen Schritte wurden eingeleitet.
Zur Beat-Produktion ist zu sagen: Jeder von uns vieren hat seinen eigenen Produktionsstil, aber es gibt natürlich ein paar Gemeinsamkeiten. Im Grunde arbeiten wir DAW-basiert, sind immer auf der Suche nach besonderen Samples und zwei von uns spielen einiges selbst ein. Dazu gehören Pianos, Gitarren, Drums, Bassläufe und ähnliches. Ab und an arbeiten wir dafür extra mit speziellen Instrumentalisten zusammen. Beispielsweise haben wir für „Pakt mit dem Teufel“ mit einem Gitarristen an speziellen Riffs gearbeitet. In der Regel bastelt aber jeder von uns für sich alleine an einem Grundgerüst.
Dann wird Feedback der Crew eingearbeitet, es werden Elemente ergänzt oder der Beat geht sofort an den Künstler. Am Ende macht es immer Spaß, die Leute raten zu lassen, welcher Song von wem produziert wurde.
Der Titel „Gebrüder Grimm“ lasst mutmaßen, dass uns ein Konzeptalbum erwartet. Welche zentrale Thematik liegt der Platte zugrunde?
Das ist gerade das Schöne am Konzept „Gebrüder Grimm“. Die Künstler haben einen großen Spielraum für Topics und Themen. Einige Artists liefern eine Erzählung aus ihrem Leben, andere beziehen sich auf Märchen und wieder andere repräsentieren HipHop. Das Album heißt schließlich „Gebrüder Grimm“ und nicht „Grimms Märchen“. Dennoch steht alles in Verbindung und fügt sich musikalisch zu einem großen Werk zusammen. Der eine oder andere wird sogar überrascht sein hier und da mal etwas Unerwartetes oder Neues zu hören.
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