Run The Jewels im Interview

Run The Jewels sind besonders. Killer Mike und EL-P spielen energiegeladene Shows in der ganzen Welt und ziehen ein sehr junges Publikum an. Gleichzeitig haben die beiden schon mehrere Jahrzehnte Karriere hinter sich und waren schon aktiv, als einige Fans noch nicht einmal geboren wurden. Außerdem ist vor allem Killer Mike neben seiner eher jugendlichen Musik als politischer Aktivist unterwegs und sitzt auch mal bei CNN, um über Diskriminierung und Polizeigewalt zu sprechen. Musiknerds also, die sich zum Ziel gesetzt haben der Gesellschaft gleichzeitig etwas mitzugeben. Zeit, sich über musikalische Einflüsse, die richtige Droge und die Auswirkungen nach den landesweiten Protesten zu sprechen.

Ihr habt gerade Konzerte in Paris, London und Stockholm gespielt. Wie ist Europa für euch?

Mike: Es ist wie das hier. (zeigt ein Foto von der ausverkauften Paris Show)

Absolut verrückt. Die Shows waren ausverkauft und die ganzen Fans … die Leute in Europa sind immer sehr enthusiastisch. Das war schon bei den kleineren Shows so und das wurde jetzt einfach noch mal multipliziert. Es ist großartig.

In welcher Stadt habt ihr euch am wohlsten gefühlt?

El-P: Schwer zu sagen. Es war überall gut.

Mike: Paris ist mitgegangen wie nie zuvor.  Normalerweise sind sie Leute da sehr höflich und klatschen nur ein bisschen. Aber dieses Mal sind alle ausgerastet.

EL-P: London war natürlich auch krass, weil wir da vor 1600 Leuten gespielt haben. Es gab wirklich keine Show, die negativ in Erinnerung geblieben ist.

Mittlerweile steht ihr beide kurz vor euerm 40. Geburtstag

Mike: Das sagt zumindest der Kalender.

Innerlich fühlt ihr euch also jünger?

Mike: Es ist noch nicht mal so, dass ich im Kopf jünger bin. Aber ich weiß nicht, ob ich noch mal 39 Jahre zum Rebellieren habe. Ich weiß nur, dass ich bei meinem letzten Highschool Klassentreffen mit niemandem von den ganzen Leuten etwas anfangen konnte. Obwohl ich seit 39 Jahren auf der Erde verweile, wirke ich manchmal vielleicht wie 17 1/2. Die einzigen Momente, in denen ich mich so alt fühle, wie ich bin, sind, wenn meine Frau mit mir über Lebensversicherungen redet oder wenn ich mit meinen Kindern schimpfen muss. Ansonsten bin ich einfach ein Künstler. Ein Künstler zu sein bedeutet auch die kreative Ader, die dich als Kind geleitet hat, nie zu verlieren.

Deswegen kann ich dir auch nicht sagen, wie es ist 39 zu sein. Ich werde dir auch noch in den Arsch treten wenn ich 50 bin.

EL-P: Das ist das, was ich sagen wollte. Ich bin 39 aber nehme es immer noch mit dir auf. (Beide lachen)

Copyright: Victor Michael

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Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist: Wie alt war und ist denn dann euer Publikum so?

El-P: Das waren alles Senioren in Rollstühlen. (lacht)

Mike: Die meisten waren 17, 18, 20 Jahre alt. Einige kannten unsere alten Sachen, aber einige auch nicht. Das ist denke ich normal. Wir haben ja schon lange Karrieren hinter uns. Auf jeden Fall sind alle richtig ausgerastet. Das war hart. Normalerweise denkt man auch, dass schöne Frauen sich nicht diese Art von Konzerten ansehen wollen …

(El-P, den die Frage nach dem Alter augenscheinlich immer noch beschäftigt, unterbricht)

El-P: Weißt du eigentlich, wer noch so alles 39 ist? Q-Tip, Big Boi, Nas …

Mike: Nas und Tip sind aber älter.

El-P: Wirklich? Ok. Was ich meine ist, dass wir zu einer älteren Generation von Rappen gehören. Es ist witzig, dass das jetzt was Besonderes ist. Als ich das letzte Mal eine Platte veröffentlicht habe, war mein Alter völlig unwichtig. Jetzt bin 39 und jeder fragt danach. Es sind eben ein paar Jahre vergangen und ich bin etwas älter geworden. Na und. Aber wenn du eine Rap Show findest, wo die Crowd aus Leuten in meinem Alter besteht, die so eine Energie haben wie wir, dann sag Bescheid … und wir werden sie leise umbringen. Denn so was kann es nicht geben. (lacht)

Mike: Unsere Shows haben keine altersstrukturellen Vorgaben. Auf jeden Fall hatten wir vor ein paar Tagen ein Konzert, da bestand die erste Reihe nur aus heißen Frauen. Und ich dachte mir so: „In was für einem verdammten Film sind wir hier gelandet?“ (lacht)

Es gab von euch auch mal ein eigenes „Run The Jewels Bier. Was ist damit passiert?

El-P: Das war nur eine vorübergehende Kollaboration mit Goose Island für das Pitchfork Festival vor ein paar Jahren. Wir sind zu ihnen gefahren, haben am Konzept mitgearbeitet und beim Brauen geholfen. Aber das Bier ist mittlerweile ausverkauft. Es war auf jeden Fall eine lustige Sache.

Mike: Wir haben es nicht wirklich selber gebraut. Aber wir haben entschieden, wie es schmecken soll. Ich trinke eigentlich kein Bier. Deswegen sollte es schon Light-Bier sein, also eher amerikanisch. Und ich wollte, dass es nach Marihuana riecht und schmeckt. Der Hopfen, der verwendet wurde, hat wirklich wie Cannabis gerochen. Wie gutes Weed. Es war großartig.

Ein verrücktes Mädchen hat mich irgendwann mal bei Twitter genervt und gefragt: „Warum schmeckt euer Bier nach verdammten Marihuana?“ „Weil wir es so geplant haben, Bitch!“ (lacht) Ich habe die Erfahrung auf jeden Fall genossen und kann für den Rest meines Lebens sagen, dass wir ein Run the Jewels Bier hatten.

In Europa ist die „Bier-Kultur“ ziemlich ausgeprägt. Habt ihr euch da durchprobiert?

El-P: Wir hatten gar nicht so viel Zeit dafür. Ich habe am Flughafen was gegessen, aber wir hatten jetzt nicht die Zeit eure Spezialitäten zu probieren. Hoffentlich schaffen wir es heute Abend noch wegzugehen und ein paar Bier zu trinken. Ich meine, das „Bier-Game“ hier ist schon krass.

Mike: Ich möchte in den nächsten Jahren mal zum Oktoberfest.

El-P: Da war ich mal. Die geben dir da riesige Gläser und nach einem bist du am Arsch.

Mike: Ich habe Bilder von schönen und sehr zierlichen Frauen gesehen, die ein paar dieser Gläser der Hand hatten. Das war verrückt. Die müssen mehrere Kilo gewogen haben. Ich möchte da auf jeden Fall mal hin. Ein Freund vom Collage hat mich neugierig gemacht. Man sollte aber nie versuchen einen Deutschen unter den Tisch zu trinken (lacht)

Lasst uns über Musik reden

El-P: Nein, nein, bitte nicht.

Run_The_Jewels_3Unter anderem hat Pitchfork  „RTJ2“ in ihrer Jahresbestenliste auf Platz Eins gewählt. Wie seid ihr sonst mit den Reaktionen zufrieden?

EL-P: Die Leute haben sehr positiv auf unser Album reagiert. Noch besser als beim letzten Mal. Das war aufregend für uns, denn wir machen die Musik ja für uns selbst und teilen sie dann mit den Leuten. Wenn dann so viel Liebe zurückkommt ist das etwas Besonderes.

Der RTJ Sound ist sehr eigenständig und zum Beispiel weit weg von all den Trap Sachen, die in den USA gerade dominieren. Lassen euch solche neuen Strömungen kalt?

El-P: Ich mache das ja schon seit 20 Jahren und habe meinen eigenen Sound gefunden. Ich denke mein Einfluss kommt immer noch von den Leuten, die mich beeinflusst haben, als ich mit Musik angefangen habe. Ich mochte Sachen wie Run DMC, LL Cool J und habe auch Art of Noise, Prince und Depeche Mode gehört. Und alles, was Rick Rubin gemacht hat.

Also ging es bei dir schon immer über Rap hinaus?

El-P: Ich habe nie nur Rap gehört. Rock und elektronische Musik waren schon immer sehr wichtig für mich. Vor allem die Sachen aus den 80ern, die mich in meiner Kindheit geprägt haben. Das Fundament ist also gefestigt von all diesen Eindrücken. Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht auch moderne Musik höre und davon inspiriert werde. Ich liebe Musik einfach und denke es passieren immer wieder großartige Dinge. Manchmal kommt dann einfach jemand um die Ecke und verändert mit einem Mal alles. Das ist dann ein Geschenk für alle. Eine neue Plattform, eine neue Idee oder eine neuer Trick, der zu einem anderen Sound beiträgt. Und wenn du dann ein paar Jahrzehnte zurückgehst, kannst du Musik als Ganzes hören und die Gemeinsamkeiten sehen. Ich arbeite an meinem Sound, an meinen Ideen und mache das, was ich mache. Ich bin immer dabei mich in eine neue Richtung zu entwickeln und etwas neues zu machen. Der Entwicklungsprozess endet nie. Keiner möchte sein Leben lang das Selbe machen.

Folgt nach RTJ 2 jetzt Rap Music 2? Ich habe gelesen, dass schon daran gearbeitet wird?

Mike: Noch nicht wirklich. Aber es gibt Ideen. Ich schreibe noch nicht, aber ich habe im Kopf, was ich vermitteln möchte. Sobald wir ins Studio gehen, sprudeln die Ideen aus mir heraus. Ich muss nur die richtigen Beats und den richtigen Moment abpassen, um alles rauszulassen.

Also vorher eher ein neues RTJ Projekt?

Mike: Wir machen RTJ 3. Gerade touren wir, aber danach geht es zurück ins Studio und wir machen wieder neue Sachen zusammen. Wir reisen, nehmen ein paar Drogen, machen Musik und dann wieder touren, touren und nochmal touren. Durch Australien und Costa Rica zum Beispiel. Mal sehen was passiert.

Du hast gerade Drogen angesprochen. Was bevorzugt ihr da?

Mike: Weed und Mushrooms. Und EL hat eine Leidenschaft für Alkohol.

Also ist El betrunken und während du „Out of Space“ bist?

Mike: Das trifft uns ziemlich gut. Das ist wirklich die beste Beschreibung. (lacht)

EL-P: Wobei ich im Moment nicht mehr so viel trinke. Dadurch, dass ich mit dir rumhänge, hat sich das etwas gemindert.

Mike: Aber vor der Show trinken und kiffen wir auf jeden Fall.

Was trinkst du gerne EL?

El: Ich mag Wodka. Ich habe eine Zeit lang viel Whisky getrunken, bin aber irgendwann an einen Punkt gekommen, an dem ich eingesehen habe, dass mich die Wirkung nicht gerade zur sympathischsten Person werden lässt. Ich war anscheinend zu irisch unterwegs. Am nächsten Tag wusste ich manchmal nicht, was ich gemacht habe. Ob ich den Arsch irgendeiner Frau angefasst habe oder jemanden gesagt habe, er soll sich ficken. Deswegen trinke ich Wodka, weil die Wirkung besser zu steuern ist. Und ich habe keinen Kater mehr. Whisky bringt Kopfschmerzen, wegen denen du dich umbringen willst.

Mike: Ich rauche keine Blunts mehr, seit ich das letzte Mal mit Action Bronson unterwegs war. Er hat mich so verdammt High gemacht.

Arbeitest du mit Action Bronson zusammen?

Mike: Wir arbeiten beide zusammen mit Alchemist. Deswegen sehen wir uns manchmal und wollen auch  mal was zusammen machen. Wir mögen und respektieren uns. Aber da ist jetzt kein großer Plan dahinter. Leute, die wir kennen und mögen, mit denen arbeiten wir auch zusammen. Meine Beziehungen in Sachen Musik sind immer mit Respekt verbunden.

Mike, ich würde mit dir gerne noch über Polizeigewalt sprechen. Ich habe deine sehr emotionale Rede vor dem Konzert in St.Louis gesehen. Und überall in den USA haben Leute gegen Polizeigewalt protestiert. Meinst du, es hat sich seitdem etwas verändert?

Mike: Ich denke es gab keine wirkliche Veränderung für Amerika. Die einzige Sache, die sich für die geändert hat, ist, dass die Polizei mehr militarisiert wurde. Der Kampf gegen Drogen wurde als Ausrede dafür genutzt was zugegebenermaßen die meisten so akzeptiert haben. Außerdem haben wir ein Gefängnis-System, das im Wesentlichen eine irrsinnige Sklaverei ist. Das sind die negativen Veränderungen. Aber dass Leute den Mut aufweisen in 170 Städten zu protestieren und auch international etwas passiert, finde ich gut. Außerdem kommen dabei sehr unterschiedliche Leute an einem Platz zusammen. Es protestieren Weiße neben Schwarzen, Alte neben Jungen und verschiedene Religionen nebeneinander. Ich habe wahrgenommen, dass durch diesen gemeinsamen Protest Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln positive Beziehungen zueinander aufbauen. Es gibt ein friedlicheres Beisammensein zwischen unterschiedlichen Kulturen. Ich denke also, dass der Protest als solcher nicht wirklich etwas verändert, aber die Leute näher zusammenrücken. Das ist eine positive Auswirkung.

Run_The_Jewels_4In den letzten Jahren wurde über Polizeigewalt gegenüber Schwarzen in den USA kaum berichtet. Dann eine Zeit lang ständig. Warum der Wandel?

Mike: Es gibt mittlerweile auch Weiße, die davon deprimiert sind. John Stewart hat nicht unbedingt ein persönliches Interesse daran, sich gegen so was zu wenden. Aber seit Dave Chapell nicht mehr auf Sendung ist, hat John Stewart plötzlich den Mut sich gegen Polizeigewalt zu positionieren. Einfach, weil es eine größere Gruppe gibt, die unzufrieden mit der aktuellen Situation ist. Eben nicht nur Schwarze, sondern alle ethnischen Gruppen.

Bekannte von mir aus den USA meinten, dass sie die Polizei in gewisser Weise verstehen können. Ihrer Meinung nach gibt es Viertel, zum Beispiel in Ferguson, in denen ein Großteil der (schwarzen) Bevölkerung keine Arbeit hat, an der Armutsgrenze lebt und deswegen sehr frustriert und daraus resultierend aggressiv bzw. kriminell wird. Dementsprechend wird auch die Polizei aggressiver. Kannst du diese Einstellung nachvollziehen?

Mike: Der Punkt mit dem deine Bekannten recht haben ist: Sie haben keine Jobs. Deswegen steigt die Kriminalitätsrate. Aber das hat nichts mit den Ereignissen in Ferguson zutun.

In Deutschland gab es zum Beispiel auch eine dunkle Periode in der Hitler sein Volk dazu brachte, vermeintlich anders denkende Menschen zu verurteilen. Hätte es vorher nicht den großen Einbruch der Wirtschaft gegeben, hätte das Volk nie dazu bringen können, Gewalt gegenüber bestimmten ethnischen Gruppen auszuüben. Er hat die allgemeine Armut ausgenutzt, um die Menschen zu manipulieren und sein Handeln zu rechtfertigen.

Was in Städten wie Chicago passiert ist nicht die Schuld von Waffen oder von Schwarzen. Es liegt daran, dass es keine Jobs und keine Möglichkeiten gibt. Dort, wo Leute der Möglichkeit beraubt werden, etwas zu essen, etwas warmes zum Anziehen zu haben und füreinander zu sorgen,  entsteht Kriminalität. Ich sehe die Herausforderung darin, das Problem der Armut zu lösen. Nicht nur in der Schwarzen Community, sondern in jeder Gruppe.

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Eigentlich wollte Johann gar nicht mehr so viel über HipHop schreiben, weil ihn mangelnde Qualität einiger gehypeter Alben und kindische Streitereien zu sehr auf die Nerven gehen. Doch über Probleme soll man bekanntlich reden. Jetzt schreibt er genau darüber eine Kolumne für BACKSPIN und auch weiterhin Meinungsartikel zu Musik. Ansonsten hängt er in Berlin rum, bricht Studiengänge ab, fängt neue an und schreibt als freier Autor unter anderem für Juice, Vice, taz. und Süddeutsche Zeitung.
Razer

Erzähl Digger, erzähl

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