Im Jahr 2010 bestieg die Stadt Pittsburgh den amerikansichen Rap-Olymp. Es folgten Jahre des Khalifats; Wiz stürmte die Charts mit seiner Lobeshymne auf die schwarz-gelbe Stadt. Der Hype fand seinen Ursprung in einem der wenigen Mixtapes, die sich besser verkauften als die meisten Alben: „K.I.D.S.“ von Mac Miller. Er wusste sein unbedarftes, hippes Lebensgefühl auf die CD oben drauf zu packen. Dementsprechend fanden sich auch hierzulande viele, die von sich behaupteten keinen Hip-Hop, wohl aber Mac Miller zu hören. Zwei Alben später präsentiert der heute 23-Jährige nun „GO:OD AM“.
Der Mac Miller, der sich auf dem neuen Langspieler präsentiert, wirkt auf mich stark nach innen gerichtet. Während mir seine ersten Werke den perfekten Pottrauch- und Skate-Soundtrack lieferten, regt er mich nun zu Nachdenken an (z.B. „ROS“). Der Sound wirkt ausgewogen, überwiegend melancholisch, gespickt mit wenigen, nicht allzu hektischen Uptempo-Nummern (z.B. „When in Rome“). „GO:OD AM“ stellt musikalischen Genuss an erster Stelle – der frühe Larry produzierte vor Hits überquirlende Platten, jetzt das vollständigste Werk seiner noch jungen Karriere.
Was es, zugegeben, schwierig macht, die Top-Tracks herauszufiltern. Besonders hat mich „Perfect Circle/God Speed“ in seinen Bann gezogen. Das rough-gesampelte Blues-Piano zerbricht den Beat, ohne verzweifelt dem Vintage-Sound des BoomBaps hinterher zu eiern. Auf „Rush Hour“ gefiel mir die unabwendbare, unangenehme Wahrheit des Satzes „The world don’t give a fuck about your loneliness“. „100 Grandkids“ wurde völlig zurecht als erste Single ausgekoppelt. Der Beat bietet eine breite Palette an musikalischen Elementen: Er besteht zum einen aus einem Jazz-Sample im Intro, elektronischen Elementen in den Breaks, Gitarren-Licks und aus einem Chor. Als wäre dem nicht genug, zitiert dieser ab Minute 1:53 Puff’s „Bad Boys for live“-Hook – als Rucksackträger birgt es für meine Gefährten und mich besondere Mitträller-Gefahr. Allerdings scheitert Larry auf „Time flies“ an seinem eigenen Anspruch. Vor allem die Komposition wirkt etwas zu gewollt und wenig gekonnt. Auch auf „Clubhouse“ finde ich die Produktion so zerfahren, dass die Essenz des Songs für mich schwer greifbar wird. Die Features sind zwar interessant, aber entbehrlich. Larry selbst ist auf der ganzen Platte so präsent, dass er für meinen Geschmack vollständig auf Kollabos mit anderen Künstlern hätte verzichten können. Das minimalistische Cover finde ich hingegen in zweierlei Hinsicht sehr treffend: Einerseits schwingt in Mac Millers Flow stets ein Anflug von müdem Gähnen mit. Andererseits kann es im weitesten Sinne als ein kreatives Aufwachen gedeutet werden.
Alles in Allem scheint mir, als hätte der Rapper durch seinen Schritt nach vorne an Leichtigkeit eingebüßt; sein unbekümmertes, bekifftes Lächeln verloren. Mac Miller ist auf „GO:OD AM“ sowohl in persönlicher, als auch in musikalischer Hinsicht zu einem ernsten Künstler herangereift.
Die Veränderung des jungen Pittsburghers ist durchaus beeindruckend: Der durchschlagende Erfolg von „K.I.D.S.“ und „Blue Slide Park“ drückte Mac in eine künstlerische Zwangsjacke, aus der er sich mühsam mithilfe des stark kritisierten „Watching Movies with the Sound of“ zu befreien versuchte. Der Misserfolg zeigte Wirkung: Die Erwartungen der Öffentlichkeit schrumpften und ebneten ihm im Umkehrschluss den Weg zur schöpferischen Selbstfindung und damit zu „GO:OD AM“. Manchmal erinnere ich mich wie es war, auf „Nikes on my feet“ zu skaten oder mich zu „Donald Trump“ unter die Bier-Bong zu legen. Aber dann erkenne ich den Zentimeter-dicken Staub auf meinem Board und auch Hauspartys reizen mich seit Jahren nicht mehr. Nach dem Verschwinden seines charakteristischen „Ahaaa“, bin ich mir sicher: Mac Miller geht es genauso.
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