In den Biografien aktueller Newcomer kann man meistens ziemlich genau nachlesen, wie ihr Werdegang und die mit ihm verbundenen Probleme ihren Charakter geschärft haben. Umfangreiche Pressemitteilungen und einstündige Interviews sind Teil einer Kultur geworden, in der Image und Promophase fast interessanter zu sein scheinen, als die eigentlich Qualität der Musik. Umso überraschender ist das alles bei 385i-Signing Nimo. Von ihm findet man neben einigen Tracks so gut wie gar keine Informationen. Keine peinlichen Interviews, kaum Promo-Maschinerie auf den sozialen Netzwerken. Seine Geschichte muss der Stuttgarter allerdings auch gar nicht in ewig langen Interviews erzählen. Denn seine Musik erzählt die ganze Story.
Den Hype, der sein erstes Mixtape „Habeebeee“ umweht, hat der junge Iraner, der durch amateurhafte Handyaufnahmen auf sich aufmerksam machen konnte, vollkommen zurecht. Ob der aggressive Brecher „Idéal“, das reflektierte „Flouz kommt Flouz geht“ oder das beobachtende „Bitter“, jeder Song gibt ein Stück mehr preis von der Geschichte um die Stuttgarter Hochhäuser. Kein Wunder also, dass ein Falk Schacht ihn als nächstes großes Ding prognostiziert. Die Mischung aus Gangsta-Rap, der Straßengeschichten erzählt, so etwas wie Conscious-Rap, der genau diese kriminelle Vergangenheit kritisch beleuchtet und dem verträumten Ausblick auf eine finanziell sichere Zukunft machen „Habeebeee“ zu einem allumfänglichen ersten Release.
Dass das alles funktioniert, ist vor allem einer unglaublichen Tatsache geschuldet: Nimo schafft es, flowtechnisch alles zu zerreißen. Deutlich beeinflusst von französischem Rap, aber auch dem spielerischen Mischen verschiedenster Sprachen – etabliert von seinen Ziehvätern Celo&Abdi – wechselt Nimo immer wieder locker die Geschwindigkeit. Dabei spielt er genauso selbstverständlich mit seiner Stimme, wie mit seiner Aussprache und zeigt mal eben auf, dass Straßen-Rap auch 2016 immer noch frisch und neu klingen kann.
Durch seinen jugendlichen Charme schafft Nimo es auch, seine Feature-Partner zu Höchstleistungen anzutreiben. Ob Olexesh oder Hanybal: Beide fügen sich nahtlos in den Mikrokosmos „Habeebeee“ ein. Besonders herausragend ist allerdings Abdis Part auf dem Bass-Monster „Nie wieder“, auf dem er intensiver als je zuvor von seiner gescheiterten Fußballkarriere erzählt.
Lediglich in der zweiten Hälfte des mit 23 Tracks etwas zu lang bemessenen Mixtapes geht Nimo, aber auch den Produktionen, etwas die Luft aus. Vermeintliche Party-Brecher wie beispielsweise „Leck Sibbi“ sind einfach überflüssig und mindern den Gesamteindruck, während die erste Hälfte noch nach dem Stoff klingt, aus dem Alben des Jahres gemacht sind. So oder so stehen am Ende mehr herausragende Tracks auf der Haben-Seite, als die meisten Top-Ten-Rapper für sich verbuchen können. Wenn bei Nimo ein erstes Mixtape so klingt, haben Celo&Abdi den vielleicht dicksten Fisch der jüngsten Zeit an Land gezogen. Wer solche Tracks hat, braucht weder Interviews, noch Promo-Maschinerie.
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