Genetikk „Achter Tag“ (Review)

genetikk-achter-tag-cover-505Genetikk sind zurück. Schwarz, verschwommen, mystisch waten sie aus dem Nebel. Die Inszenierung ist groß. Außerdem ist das Gefüge gewachsen, denn unter dem Stempel Genetikk arbeiten mittlerweile nicht mehr nur Karuzo am Mikrofon und Sikk am Beat, sondern auch eine Handvoll Freunde, die sich für das Visuelle, Organisatorische und den ganzen Rest verantwortlich zeigen. Nach außen will man das intellektuelle, trotzdem futuristische Kreativkollektiv sein. Einflüsse gefällig? „Kunst und Architektur“. Und genau da fängt das Problem von „Achter Tag“ an, ohne, dass die ersten Töne des Albums überhaupt erklungen sind. Denn die Ästhetik von Genetikk samt eigener Klamottenmarke zeugt weniger von Einflüssen aus Architektur und viel mehr von deutlichen Studien des Wu-Tang Clans, A$AP Mobs und Streetwearbrands wie Hood by Air. Adaption und Inspiration sind grundsätzlich kein Problem, doch wenn man in seiner Außendarstellung die ganze Zeit über darauf beharrt, ein unglaublich kreatives Grüppchen zu sein, sorgt das doch für ein spöttisches Grinsen. So viel zum Rummel vor und um „Achter Tag“. Doch eigentlich geht es um Musik und die ist, wie soll es anderes sein, qualitativ hochwertig.

Sikk hat den Genetikk-Sound konsequent weitergeführt. Harte Drums, knarziges bis euphorisches Samplematerial und stellenweise eine etwas zu pathetische Atmosphäre durchziehen das Album. Eine Garantie zum Kopfnicken mit durchschneidender Qualität, die immer wieder mit dem 808-Zeitgeistsound aufgebrochen wird bis, auf „Caput Mundis“ eine Noise-Bridge für den großen Knall sorgt. Währenddessen rappt sich Karuzo wieder einmal um Kopf und Kragen und punktet, wie zu erwarten, durch die Einzigartigkeit seiner rauen Stimme. Eigentlich könnte alles so schön sein. Eigentlich, doch das Studieren der Lyrik trübt die Freude. Denn die sorgt für einen bitteren Nachgeschmack. Karuzo wirft mit wahllos zusammengewürfelten Referenzen aus verschiedenen Mythologien und Religionen um sich, äußert pseudokritische Phrasen während im Hinterkopf die aufgesetzte Ästhetik der Videos umherstreift. Denn neben dem gelungen Sound ist „Achter Tag“ stellenweise genau das: aufgesetzt und durchzogen mit Phrasendrescherei. Das kommt am besten zum Vorschein, wenn SSIO Karuzo auf „Jungs aus Barrio“ lyrisch locker in den Schatten stellt. Am Ende des Albums bleibt  dann wenig hängen. „Achter Tag“ ist eher leer als alles andere. Wie sich diese inhaltliche Leere allerdings gut retuschieren und schließlich in Szene setzten lässt, das wissen Sikk, Karuzo und die anderen nur zu gut. Deswegen läuft der Achte Tag am Ende doch auf Repeat und deswegen kann man guten Gewissens über diesen einen, wenn auch großen Störfaktor hinwegsehen. Genetikk wird der Kritikpunkt ohnehin egal sein. Hauptsache well dressed: „Mich interessieren weder Reviews noch Hype – alles was ich will ist n’ frisches Paar Nikes.“ („22MMM“) Genau das trifft es. Style über Inhalt ist die Devise.

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Eigentlich wollte Johann gar nicht mehr so viel über HipHop schreiben, weil ihn mangelnde Qualität einiger gehypeter Alben und kindische Streitereien zu sehr auf die Nerven gehen. Doch über Probleme soll man bekanntlich reden. Jetzt schreibt er genau darüber eine Kolumne für BACKSPIN und auch weiterhin Meinungsartikel zu Musik. Ansonsten hängt er in Berlin rum, bricht Studiengänge ab, fängt neue an und schreibt als freier Autor unter anderem für Juice, Vice, taz. und Süddeutsche Zeitung.
Razer

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