August 2006. Die Fußball-WM im eigenen Land liegt rund einen Monat zurück, die deutsche Nationalmannschaft hat ihr “Sommermärchen” mit dem dritten Platz beendet. Am 4. Juli platzten die Träume, den ganz großen Wurf und damit den Weltmeistertitel zu erringen. Einen Monat später, auf den Tag genau, geht dafür ein anderer Traum in Erfüllung. Nämlich der des Jan Philipp Eißfeldt, besser bekannt als “Eizi Eiz” oder “Jan Delay”, dem Namen, unter welchem sich der Eppendorfer mit “Mercedes-Dance” seinen Wunsch von einer Funk-Platte erfüllt. Ein Album, das sich sehr facettenreich gab und auch noch immer gibt und das zeigt, dass der Hamburger MC nicht nur im Beginner-Kollektiv funktioniert.
Gut, bereits fünf Jahre zuvor erscheint mit “Searching for the Jan Soul Rebels” das Solodebüt des Nuschlers vom Dienst, welches mit seinen Reggae-Melodien keinesfalls enttäuscht und auch gute Kritiken einheimst. Doch mit Nachfolger “Mercedes-Dance” wird Delay einer (noch) breiteren Masse bekannt, darf sich über Platz 1 und eine Platin-Auszeichnung freuen und, was dem MC persönlich wohl das größte Anliegen war: er etabliert seinen eigenen Sound und macht das, worauf er zu diesem Zeitpunkt am meisten Lust hat. Dieser setzt sich aus dem bereits erwähnten Funk und Soul zusammen, wobei sich funkorientierte Gitarren mit soulorientiertem Gesang abwechseln. Bläser und Sounds aus der Orgel runden das Gesamtwerk ab.
Direkt im Intro des elf Anspielstationen umfassenden Albums macht der selbsternannte “Delay Lama” unmissverständlich klar: “Reggae ist tot, jetzt ist Funk dran”. Im weiteren Verlauf des Openers zeigt sich das Urgestein des Hamburger Raps gewohnt unbescheiden (“Ich bin zurück und konnte es nicht lassen / Hab’ hier schon wieder so ein riesiges Monster erschaffen”) und ebnet famos den Weg für eines der Highlights seiner zweiten Soloplatte, das auf den schlichten Titel “Klar” hört.
Seine Hip-Hop-Sozialisation kann Eißfeldt nicht verleugnen, doch dass er auch anders und Musik für den Dancefloor konzipieren kann, zeigt der Gründer des 2003 geschlossenen Hip-Hop-Labels “Eimsbush” auf eben dieser ersten Single-Auskoppelung. Denn auf “Klar” gibt sich Delay mit voller Leidenschaft seiner neuen, musikalischen Liebe hin und performt im Stile von Funk-Heroen wie George Clinton und James Brown.
Einen ähnlichen Vibe verbreitet “Raveheart”, während auf “Kirchturmkandidaten” der unbescholtene Bürger besungen wird (die Verses sind gar gerappt vorgetragen), der Reifen zersticht und mit Panzerfaust bewaffnet einen Kirchturm besteigt, quasi als Vergeltung für die Unterdrückung durch die Gesellschaft. Die Sozialkritik, die Jan Delay hier übt, hat der mittlerweile 40-Jährige schon zuvor des Öfteren gestreut, doch auf “Mercedes-Dance” ist der erhobene Zeigefinger eher selten(er) zu finden.
“Wieso kann ich dann verdammt nochmal so cool sein wie ich bin ?” (Kartoffeln)
Eine rhetorische Frage, die sich auf Eißfeldts norddeutsche Herkunft bezieht. Gemäß der gängigen Hip-Hop-Attitüde, gibt sich der auch als Synchronsprecher agierende Musiker selbstbewusst und lässt nichts auf sich kommen. Dementsprechend unbeirrt wird sich Delay auch Rio Reisers “Für immer und Dich” angenommen haben, bei welchem dem Hörer am Ende nichz ganz klar ist, ob der Hamburger mit voller Hingebung eine Frau oder eben doch den Funk besingt. Sei´s drum, ein gutes Stück Musik bleibt der Song allemal.
Für die Produktionen von “Mercedes-Dance” zeichnet Matthias Arfmann verantwortlich, der Produzent, der auch schon den Sound der Beginner maßgeblich prägte, insbesondere den vom Klassiker “Bambule”. Als Co-Produzent fungierte Tropf, bekannt als Teil von Dynamite Deluxe und Executive Producer von Samy Deluxe-Alben. Die Männer an der Reglern kommen also mit ordentlich Hip-Hop-Background daher, mit Delay verhält es sich aber wie zuhauf erwähnt nicht anders.
“Mercedes-Dance” auf die Formel “3x Hip-Hop = 1x Funk” herunterzubrechen, wäre aber zu einfach. Denn erst durch die Zusammenarbeit mit Disko No. 1, der neuen Band Eißfeldts und damit so etwas wie der legitime Nachfolger der Sam Ragga Band, ergibt sich der funkige Sound, der den Vorstellungen des musikalischen Tausendsassas entspricht.
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