Battlerap: Zwischen Komik und politischer Relevanz

Vor zwei Wochen beschäftigte ein Battle fast die gesamte Hip-Hop Welt: Oxxxymiron vs. Dizaster. In L.A. trafen die beiden Battlechampions aufeinander. Auf der einen Seite Oxxxymiron, ein Russland stammender Rapper und auf der anderen Dizaster, ein amerikanischer Battlerapper aus Los Angeles. Doch wie kann es dazu kommen, dass ein Battle eine so hohe Relevanz hat, dass sogar in den Nachrichten darüber berichtet wurde? Um diese Frage aufzuarbeiten habe ich mich mit drei verschiedenen Rappern unterhalten, welche alle einen unterschiedlichen Background haben. Der erste Gesprächspartner war Elias Fogg, ein russischer Rapper mit dem ich über die politische Relavanz von Battlerap und Hip-Hop in Russland gesprochen habe. Der nächste war Jamie von DLTLLYbesser bekannt unter seinem Battle-Pseudonym JollyJay. Sein Background liegt in England und er battlelte unter anderem schon in der englischen Liga Don’t FlopDer letzte im Bunde war Tierstar Andrez, bekannt aus Battleformaten wie Feuer über Deutschland aber vor allem aus Rap am Mittwoch. Tierstar befand sich beim Battle von Oxxxy gegen Dizaster vor Ort, stand in der dritten Reihe und battlelte gegen letzteren bereits selbst.

Jamie Seidl-Curtis, Elias Fogg und Andrez Tierstar (v.l.n.r)

Wie unterschiedlich haben die drei Rapper das Battle in L.A. wahrgenommen? Tierstar, der direkt vor Ort war beschreibt das Geschehene und die Stimmung vor Ort so:

“ Grandios. Krasser als bei denen davor. Es war aber auch nicht die typische Battlecrowd. Ziemlich viele Russen waren am Start, aus dem ganzen Land. Einer der größten Unterschiede war auf jeden Fall das Level auf dem sie sich bewegt haben. Qualitativ, Inhaltlich aber auch die gesamte Aufmachung. Das war das erste mal, dass ich erlebt habe, dass ein Battle im Fernsehen announced wurde.“

Aber wie genau konnte es dazu kommen, dass ein Rapbattle solche Ausmaße annimmt? Liegt es nur daran, dass ein klassischer Hype darum gemacht wurde oder ist es tatsächlich so, dass Battles in anderen Ländern viel größer sind als hier bei uns in Deutschland? Elias Fogg beschreibt die russische Battlerapszene folgendermaßen:

Es hat eine sehr hohe Bedeutung, Battlerap ist noch ein ziemlich neues Genre in Russland. Anfänglich war es noch Track-Battlerap im Untergrund, aber vor drei oder vier Jahren wurden dann diese A capella Battleraps gegründet. Am Anfang ging es noch darum, Punchlines zu kicken. Aber da dort nicht irgendwelche No-Names angetreten sind, sondern schon krasse Stars in der große von Bushido, hatte es innerhalb von zwei Wochen einen richtig hohen Anflug und der Channel hatte eine Millionen Abonnenten. Dadurch ist es dann zu einer größeren Plattform geworden, wo dann auch No-Names kamen die noch fresher waren als die davor. Irgendwann hatte es sich dann soweit entwickelt, dass es in den Battles nicht mehr nur darum ging, den Gegner mit Bad-Bars zu beleidigen und ihn auf oberflächliche Art zur Sau zu machen, sondern es stark persönlich wurde. Dann kam die Frage der Realness und der Unrealness auf. Die No-Names die erst später dazu kamen haben dann die gestandenen Künstler fertig gemacht, da die alle Kommerz waren. Durch diese Battles hat sich die noch junge Rapszene in Russland gespalten.“ 

Allerdings betonte er auch, dass das Battle von Oxxxy gegen Dizaster in Russland selber, in Relativierung zu anderen Battles innerhalb des Landes, keine überdurchschnittlich hohe Bedeutung hatte. Die Aufmachung und Berichterstattung dieses Battles ist in Russland also alltäglich. 

Aber wie ist die Wahrnehmung der russischen Battlerapszene für einen Außenstehenden? Auf diese Frage antwortete Jamie

Ich habe schon vor ca. zwei Jahren gehört dass sie mit der Philippinischen Liga (Flip Top) die meisten Youtubeklicks kriegen. Seitdem schau ich immer mal in die VERUS Liga rein um die Klicks zu bestaunen. Oxxxymiron ist in Russland wohl nicht der einzige bekannte Russische Rapper, der sich traut, regelmässig starke Battles abzuliefern. Davor habe ich eine riesigen Respekt, sowas ist sowohl bei uns, als auch in Amerika/UK, eine Ausnahme, die meistens in die Hose geht. Da der bekanntere Rapper nur von Geld angelockt wird, aber wenig Plan von einem modernen Battle-Rap Niveu hat (zb. Canibus oder Joe Budden).“

Genau dies bestätigte Elias Fogg auch. Allem Anschein nach hat die Szene in Russland einen deutlich höheren gesellschaftlichen Bezug und Bedeutung, als bei uns in Deuschland, wo sich Battlerap hauptsächlich um Entertainment und lustige Punchlines dreht. Fogg beschrieb den Konflikt der Battle MCs und deren Inhalten mit der Politik folgendermaßen:

„Relativ streng, da die Politik dort auch omnipräsent ist und es auch schon einige Bands gibt, nicht nur Hip-Hop, die verklagt, verboten oder verurteilt wurden. Das beste Beispiel dafür ist Pussy Riot. Das sind ja nicht nur irgendwelche Aktivistinnen, sondern machen auch Musik. Es gibt auch eine Hip-Hop Crew, die durch ein gerichtliches Verfahren erwirkt haben, dass sie doch nicht verboten werden. Die Politik ist da auf jeden Fall gut hinterher. Es gibt sogar Politiker, die sich explizit mit Inhalten aus den Battles auseinandersetzen. Sie nehmen aber größtenteils nur die extremen Seiten von Hip-Hop wahr.“

Bei uns in Deutschland ist es aber unvorstellbar, dass sie zum Beispiel Sigmar Gabriel zu einem Battle äußert, postiv wie negativ. Die Grenzen in Russland scheinen, was das angeht, sehr verschwommen zu sein. Ist Battlerap schon so sehr in der Gesellschaft angekommen oder setzen sich die Poltiker mit allem auseinander, was ihnen nicht in den Kram passt? Fogg erklärt es wiefolgt: 

„In Russland ist das so stark präsent, da die Politiker schon sehr stark konservativ sind und in einer ganz anderen Welt aufgewachsen sind. Vor dem Zerfall der Sowjetunion herrschten ja noch ganz andere Werte und Zustände. Die Leute, die jetzt in der Politik sind, sind eben in diesen Verhältnissen aufgewachsen.“

Dies lässt also die Schlussfolgerung vermuten, dass Russland, im Allgemeinen ein Land ist, das unter einem deutlich strengeren Regime steht, und die Künstler Battlerap und Hip-Hop als Sprachroher nutzen, um ihrer kleinen Revolution Raum zu verschaffen. Aber benötigt es dafür tatsächlich eine stark konservative Regierung? Oder könnte es in Deutschland auch funktionieren? Allerdings könnte es auch daran liegen, dass Battlerap in Deutschland einfach grundlegend auf anderen Werten aufbaut. Elias Fogg sagte, dass es in Russland eben nicht so ist. Aber wie genau sieht der Status Quo der deutschen Battlerapszene momentan eigentlich aus und wo ist dort noch Verbesserungsbedarf in Relation zur russischen Szene? Tierstar

„Inhaltlich sind die Themen da viel breiter gefächert. Hier ist so dieses „Deine-Mutter-F*cken-Gelaber“ und dass ist halt ziemlich kindisch. Und wenn man das dann so in den spät 20ern oder 30ern immer noch macht, spricht das schon für sich. In Russland packen sie auf jeden Fall sehr viele Inhalte in Battleraps. Es geht nicht nur um: „Ich bin der bessere MC“. Sondern auch darum, sich moralisch über den Gegner zu erheben, seine politische Einstellung zu kritisieren. Oder wenn ein Consious Rapper gegen einen reichen Rapper antritt, dann wird der finanzielle Hintergrund kritisiert. Also, dass er dem reichen Rapper vorwirft, dass er mit seinem Geld nichts positives macht, sondern es dafür ausgibt, teure Flaschen im Club zu kaufen oder so. Also was ich damit sagen will ist, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, einen Gegner anzugreifen und Themen anzusprechen. Somit bekommt es auch viel mehr Relevanz. Ich bin generell für mehr Realtalk in Battles. Weil sobald man eine politische Debatte in einem Battle eröffnet wird, muss man mit Argumenten überzeugen. Das ist auch viel geiler als irgendwelche mehrsilbigen Wortspiele, die du im Prinzip gegen jeden verwenden kannst.“

Battlerap sollte und muss, seiner Meinung nach, viel persönlicher werden:

„Hier in Deutschland ist es halt so, dass die Rapper Absprachen haben, dass über bestimmte Themen nicht geredet wird. Das ist in Russland oder Amerika ganz anders. Dadurch nehmen Battles viel mehr einen Wrestlingcharkater an, aber für mich ist Battle eben Boxen. Es sollte schon weh tun und nicht nur ein Showeffekt für die Zuschauer sein.“

Zudem kommt auch noch der Aspekt, dass Battlerapveranstaltungen wie Rap am Mittwoch oder Don’t let the label label you hier zu Lande noch viel größere Untergrundveranstaltungen sind. Aber nicht, weil der Oldschool-Gedanke so hoch gehalten wird oder die Talente so dünn besäht sind. Es liegt daran, dass die wirklich großen Namen in der Hip-Hop Szene größtenteils immernoch nicht den Schritt auf die Battlebühnen des Landes gewagt haben. Tierstar dazu:

“ In Deutschland ist es einfach so, dass Rapper, die charten, sich nicht trauen auf der Bühne gegen einen anderen anzutreten. Die tun dann so, als hätten sie mehr zu verlieren als ein anderer, dabei könnten sie es machen so wie Laas Unltd., der der Szene einfach mal zeigen wollte, was er so drauf hat und sich einen aktuellen Battle-MC gepickt hat und gegen den einfach mal gebattlet hat. So sollte das dann auch ein Rapper machen, der ein Album in den Charts hat, zumindest wenn er schon auf Battlerapper macht.“

 

Mit all diesen Eindrücken und Stimmen lässt sich ein ziemlich gutes Resümee ziehen: Battlerap ist noch lange nicht ausgestorben. Im Gegenteil, an Battles wie zuletzt Oxxxymiron gegen Dizaster sieht man, dass es so sehr lebt wie noch nie und es auch etwas zur Völkerverständigug beiträgt. In Ländern wie den USA und Russland scheint es eine viel höhere Bedeutung innerhalb der Szene zu haben, sowie in der Gesellschaft. Anhand des Beispiels Russland kann man sehr gut sehen, dass es beim Battlerap nicht nur um sinnlose Phrasen geht, die man seinem Gegner an den Kopf wirft, sondern es bietet einem die Möglichkeit, gesellschaftliche und politische Themen und Konflikte aufzuarbeiten, aber eben auch zu entfachen. Dafür fehlt dem deutschen Battlerap momentan noch ein wenig an Popularität, obwohl es schon vor Jahren zahlreiche Plattformen wie zum Beispiel Feuer über Deutschland gegeben hat. Es liegt daran, dass die großen relavanten Rapper, welche sich auf dem Bildschirm der Öffentlichkeit bewegen, scheinbar keine Lust haben sich auf Bühnen Face to face zu battlen, sondern lieber Battlerap benutzen, um zum Beispiel Beef für Promo anzuzetteln. Zündstoff für genung brisante Themen gibt es aber auf jeden Fall. Jamie bringt dies ganz gut auf den Punkt: 

„Ich denke, das kommt darauf an, wie sich die politische Lage in den nächsten Jahren entwickelt. Hip-Hop wird immer ein Spiegel der Gesellschaft sein und zurzeit befinden wir uns in einer seltsamen politischen Lage. Mit Trump, AFD, Brexit, Kriegen oder Anschlägen beschäftigt die Politik zurzeit viel, deswegen ist es kein Wunder, dass sowas bald auch verstärkt in Rap-Texten Thema wird.“

Somit lässt sich also sagen, dass der perfekteste Battlerap sich in auf der Mitte zwischen politischer Relevanz und Humor bewegt. Lustige Punchlines und Humor sollten also weiterhin in Battles stattfinden, allerdings weniger im Mittelpnkt, sondern mehr als Stilmittel, um ernsten, persönlichen Meinungen Platz zu schaffen. 

Zu dem Youtube Kanal von Elias Fogg kommt ihr hier

Zu dem Youtube Kanal von Rap am Mittwoch kommt ihr hier

Zu dem Youtube Kanal von DLTLLY kommt ihr hier

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