Back in the Days: Craig G. (aus BACKSPIN Mag #113)

Back in the Days Craig G.

Er hat nie ein großes Album veröffentlicht, und dennoch gilt Craig G. heute als Legende. Dies hat mehrere Gründe: Er war Mitglied der legendären Juice Crew, auf einem der legendärsten Posse- Tracks vertreten, bestritt eines der legendärsten Freestyle-Battles der Hip-Hop-Geschichte und bewies darüber hinaus eine Langlebigkeit wie nur wenige andere. Craig G., der mit bürgerlichem Namen Craig Curry heißt, wächst in Queensbridge auf. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre, als Hip-Hop sprichwörtlich und Nas, Mobb Deep und Cormega buchstäblich noch in ihren Kinderschuhen stecken, finden in der Nachbarschaft die ersten Park Jams statt, auf denen lokale Größen spielen, die MC Shan später auf „The Bridge“ verewigt: T- Tom, Jappy Jap, DJ Gas und Marley Marls älterer Bruder Larry Larr. Craig G., dessen großer Bruder ebenfalls in der Szene aktiv ist, erlebt diese Anfangszeit als kleiner Junge hautnah mit und feilt fortan an seinen Freestyle-Skills. Im selben Gebäude, vier Stockwerke über ihm, wohnt Marley Marl, der zusammen mit Mr. Magic talentierte Rapper um sich versammelt, die in den kommenden Jahren als Juice Crew von sich reden machen.

Nachdem Craig G. ihm immer wieder im Treppenhaus aufauert, gibt ihm der aufstrebende Produzent schließlich eine Chance, und die beiden nehmen ihren ersten gemeinsamen Song auf. Die Single „Shout“, eine Rapversion des gleichnamigen Pophits von Tears For Fears, erscheint 1985 auf Pop Art Records, wo bereits im Vorjahr Roxanne Shantés Debütsingle „Roxanne’s Revenge“ herausgekommen war. Craig G. feiert damit im Alter von 15 Jahren sein Debüt – vor den Juice-Crew-Mitgliedern Big Daddy Kane, Biz Markie und Kool G Rap. Im selben Jahr erscheint mit „Transformer“ seine zweite Single auf Pop Art. Bald darauf hat die Juice Crew mit dem von Manager Tyrone Williams gegründeten Cold Chillin’ Records ihr Hauslabel gefunden. Hier erscheint 1987 die Single „Juice Crew All Stars“, auf der Craig G. an der Seite von MC Shan, Kool G Rap, Tragedy, Roxanne Shanté und Glamorous zu hören ist. Seinen großen Durchbruch hat er im Folgejahr auf Marley Marls Produzentenalbum „In Control Volume 1“, das praktisch ein Juice-Crew-Album darstellt. Neben dem Red-Alert-Diss „Duck Alert“ ist er auf beiden großen Singles vertreten: Zusammen mit Masta Ace, Kool G Rap und Big Daddy Kane auf dem vielleicht besten Possetrack aller Zeiten, „The Symphony“, sowie solo auf dem All-Time-Classic „Droppin’ Science“, worauf er sich mit kreativen, mehrsilbigen Reimen auf der Höhe der Zeit präsentiert. Im Jahr darauf ist die Zeit der Juice Crew als Kollektiv bereits wieder vorbei. Big Daddy Kane und Biz Markie streiten sich wegen Produzenten-Credits mit Marley Marl, der wiederum aufgrund von Geldstreitigkeiten mit Tyrone Williams und Cold Chillin’ bricht. Craig G. bleibt seinem Mentor treu und unterschreibt bei Atlantic Records. Hier erscheint 1989 sein Debütalbum „The Kingpin“, das er gemeinsam mit Marley Marl innerhalb von zwei Wochen aufnimmt.

Das Ergebnis ist jedoch enttäuschend. Hip-House-Songs sind seinerzeit angesagt, und Craig G. hat gleich zwei auf seinem Album: Die Leadsingle „Turn This House Into A Home“ und „Rock The House“. Die verbleibenden Rapsongs sind bestenfalls Mittelmaß. Eines der wenigen Highlights, „Dopest Duo“, ist weit entfernt von der Klasse von „Droppin’ Science“, dessen Zeile „the dopest duo comin’ outta Queensbridge“ die Vorlage liefert. An alldem keinen unerheblichen Anteil hat sicherlich das Label, das kaum Erfahrung mit Hip-Hop hat. Craig G.s bester Song des Jahres, „Take The Bait“, ist lediglich auf der B-Seite der zweiten Single „Shootin’ The Gift“ zu finden. Ebenso wie die Fans ist auch Craig G. unglücklich mit seinem Debüt: 1991 erscheint bei Atlantic sein zweites Album mit dem treffenden Titel „Now That’s More Like It“. Erneut sorgt Marley Marl für sämtliche Beats, wobei er bei drei Tracks vom jungen Salaam Remi unterstützt wird. Der große Wurf gelingt auch diesmal nicht, eine Wiedergutmachung ist das solide Werk aber alle- mal. Während Masta Ace auf dem Song „Give It To Me“ vertreten ist, gibt es mit „Ripped To Streads“ und „Going For The Throat“ zwei Disses gegen MC Shan, der Craig G. zuvor in einem Interview beleidigt hatte. Anders als Shan, der sich von seinem schwachen dritten Album nie erholt, bleibt Craig G. relevant, indem er sich als begnadeter Freestyle-MC einen Namen macht. Bei einem seiner Auftritte in der Radioshow von Stretch & Bobbito macht er 1994 die Ansage „Yo, I battle that nigga Supernatural!“. Kurz darauf kommt es zum Showdown beim New Music Seminar, wo Supernatural als Host der Lyricist Lounge auf der Bühne steht. Angesprochen auf Craig G., fragt der bis dato ungeschlagene MC in die Menge „Craig G., where you at?“, nicht ahnend, dass dieser bereits am Bühnenrand auf ihn wartet. Es folgt ein hitziges Battle, aus dem Craig G. als Sieger hervorgeht, nachdem er enthüllt, dass sein Gegenüber nicht aus New York, sondern Indiana stammt. Die beiden liefern sich in der Folge mindestens zwei weitere Du- elle, eines ist unter dem Titel „Clash Of The Titans“ auf Supernaturals Album „The Lost Freestyle Files“ dokumentiert.

Unterdessen ist Craig G. 1996 mit den alten Weggefährten Biz Markie, Big Daddy Kane und Roxanne Shanté auf der „The Symphony“-Hommage „The Cypher: Part 3“ von Frankie Cutlass zu hören. 1998 erscheint auf dem Indielabel „Welcome 2 The Game“ seine erste Single seit sieben Jahren. Weitere Singles und Features etablieren ihn als feste Underground- Größe. Zudem ist er in den kommen- den Jahren Gast auf diversen europäischen Produzentenalben.

Sein Freestyle-Renommee verschafft Craig G. 2002 einen Auftrag in Hollywood: Für „8 Mile“ schreibt er die Texte der Kontrahenten von Eminems Filmfigur B-Rabbit und coacht die Schauspieler am Set. Ein Jahr später erscheint auf D&D Records sein drittes Album „This Is Now!!!“ mit Beats von Large Pro, DJ Premier und Da Beatminerz. 2008 bringt Marley Marl über das Liebhaberlabel Diggers With Gratitude die limitierte „The Juice Crew E.P.“ mit bis dato unveröffentlichten Songs heraus, darunter Craig G.s „Drop A Bomb On ’Em“, der vermutlich 1989 entstand und besser als alles auf „The Kingpin“ klingt.Ebenfalls 2008 veröffentlichen Craig G. und Marley Marl das gemeinsame Album „Operation: Take Back Hip- Hop“. Hierauf sowie auf dem 2012 erschienenen Album „Ramblings Of An Angry Old Man“ bezieht Craig G. gegen den aktuellen Mainstream- Hip-Hop Stellung. Dies mag reaktionär erscheinen, spricht aber vielen älteren Fans aus der Seele und ist am Ende würdevoller sowie authen- tischer als Anbiederungsversuche à la „Ratchet“ von LL Cool J – einem jener wenigen anderen, die wie Craig G. von 1985 bis heute aktiv sind.

Razer

Erzähl Digger, erzähl

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