Auf Tour mit Frau Kolumna: Mile of Style 2015 Festival

MOSZWEI1Ich mochte das Mile of Style Festival bisher. Wirklich. Wenn ich mich zum Beispiel an den ausverkauften Vorgänger des diesjährigen Festivals erinnere, kann ich nichts Negatives berichten. Im November 2013 fand das Festival zuletzt über zwei Tage im ostfriesischen Leer statt. Restlos ausverkauft, super Location, reibungsloser Ablauf, Schnaps – ein perfektes Wochenende.
Ein Grund also, sich auch auf das diesjährige Festival freuen zu dürfen. Auch das Line-up ließ die Vorfreude steigen: Mit Künstlern wie Haftbefehl, Audio88 & Yassin, Prinz Porno oder den Orsons hat der Veranstalter ein gutes who is who der deutschen Rapszene zusammengetrommelt.

Schade, dass sich die Illusion eines harmonischen Osterwochenendes in Mitten von gut gelaunten Hip-Hop-Heads schneller in Luft auflöste, als Kollegah „Doubletime“ sagen kann.

Das Festival trug sich in der Aladin Music Hall im Stadtteil Bremen-Hemelingen zu – so weit, so gut.
Nur kurz zur Erklärung: Die Aladin Music Hall besteht aus zwei Komplexen: Dem Aladin selbst und einer etwas kleineren Location, dem Tivoli. Die Künstler waren auf zwei Bühnen verteilt, sodass man sich folglich für jeweils einen Künstler und dessen Slot entscheiden musste. Da man diese lebenswichtigen Entscheidungen aber schon von anderen Festivals gewohnt ist, war das gerade noch zu verkraften.

MOSSIEBENDie Location ist übrigens von einem Altrocker-Flair geprägt und wirkt wie die Kneipe, in der dein Rocker-Papa mit seinen Kumpanen rumhängt und sein Feierabendbierchen kippt.
Dieser eher semigute erste Eindruck wurde noch mehr gestärkt, sobald die ersten Künstler auf die Bühne steppten.

Der Sound war im Aladin und im Tivoli so dermaßen schlecht, dass man die Lyrics teilweise nicht mal ansatzweise verstanden hat. Hierbei muss erwähnt werden, dass der Sound im Aladin zwar beschissen war, das Tivoli das Ganze allerdings unglaublicher Weise noch einmal um Längen unterboten hat.
Der Sound war total übersteuert, die Höhen haben so sehr gescheppert, dass du selbst während des Slots deines Lieblingsrappers raten musstest, welchen Song er da gerade zum Besten gibt.
Es war quasi unmöglich, es länger als zehn Minuten vor der Bühne auszuhalten, ohne direkt mit Kopfschmerzen aus der Hölle bestraft zu werden. Klitzekleiner Lichtblick: Nachdem es auf der Mile of Style Facebook-Seite nach dem ersten Tag massenhaft Beschwerden hagelte, wurde sich am zweiten Tag zusammengerissen und noch ein wenig am Ton geschraubt, immerhin.

Nachdem der Vorverkauf der meiner Meinung nach doch ziemlich überteuerten Festivaltickets (50€ pro Tag) scheinbar MOSDREInicht gerade grandios lief, wurden als Konsequenz daraus Künstler aus dem Line-up gestrichen – jedoch ohne, dass dies in nur einem Satz erwähnt wurde. Said und Figub Brazlevic sind nicht wie angekündigt aufgetreten. Noch vor dem Festival veröffentlichte Said eine E-Mail des Veranstalters auf seiner Facebook-Seite. Hier war die Rede von schlechtem Vorverkauf und dem Künstler wurde mitgeteilt, dass ihm die ausgehandelte Gage nicht garantiert werden könne.

Des Weiteren wurde fast ein Staatsgeheimnis um die zwei ominösen Secret-Co-Headliner gemacht, die neben Haftbefehl und Prinz Porno auf der Bühne stehen sollten. Ob auch hierfür das nötige Kleingeld fehlte, lasse ich dahingestellt. Allerdings war es eine verdammt schwache Leistung, Schwesta Ewa für einen kurzen Gastpart in einem Track und Haftbefehl am Samstag, der Sonntag sowieso einen eigenen Slot spielten sollte, als ach so geheimen Co-Headliner zu verkaufen.

MOSACHT-1024x683Auch die anwesenden Fans sind ja ein wichtiger Bestandteil des ganzen Drumherums eines solchen Festivals. Wer sich bereits in den vergangenen Jahren über das immer jünger werdende splash!-Publikum und den Hype echauffiert hat, ist herzlich eingeladen, das nächste Mile of Style-Festival zu besuchen. Mit Style hatte das Ganze herzlich wenig am Hut. Das ausgesprochen junge Publikum, dessen Durchschnittsalter bei schätzungsweise 18 Jahren lag, war überwiegend in Prinz- Porno- und Ruffiction-Merchandise gekleidet. Selbstredend, dass auch genügend Hafti-Jünger anwesend waren, die die aktuelle Chabos-Kollektion zur Schau stellten. Viel daran ändern hätte man eh nicht gekonnt – der (Achtung, Singular!) Merchandise-Stand lag in einem der hinteren Räume des verworrenen Gebäudekomplexes und bot ungefähr zwei T-Shirts an. Na gut.

MOSSECHS-1024x683Während ich an meinem ersten überteuerten Bier sippte und mir kurz Zeit nahm, um mir die eben angesprochene Fanbase etwas genauer zu betrachten, wurde mir schnell klar, dass ich wohl nicht die einzige war, die mit doch etwas zu hohen Erwartungen nach Bremen gereist ist. Irgendwo zwischen Verwirrung und Langeweile tummelte man sich zwischen den zwei Bühnen. Zugegeben ist es als Festivalbesucher aber auch alles andere als einfach zu planen, wenn der Timetable erst online geht, sobald die ersten Slots schon gespielt wurden.

Wenn die Stimmung des Publikums schon eher, sagen wir, schwierig ist, ist sie bei den Künstlern oft nicht besser. So verpuffte auch meine riesengroße Freude darüber, Azad tatsächlich zum ersten Mal in meinen 21 Lebensjahren live zu sehen, unheimlich schnell und wandelte sich binnen Sekunden in maßlose Enttäuschung. Dass ein Haftbefehl nun keine grandiose Liveperformance über die Bühne bringt, war mir von vorne herein klar. Das kann man ruhig verkraften. Gerade, wenn man den Babo himself schon des öfteren über die Bühne hat rollen sehen. Traurig wird es, wenn selbst alteingesessene Künstler, die man besonders wegen ihrer Bühnentauglichkeit feiert, einfach nur schlecht abliefern. Ich schiebe nicht einmal den Künstlern die Schuld zu – die äußeren Umstände, angefangen beim grottigen Sound und der mehr als beschissenen Stimmung taten ihr Übriges dazu.

TESTDinge, die ein Hip Hop Festival für mich auch noch ausmachen, ist das Drumherum. Es ist mir durchaus bewusst, dass die Möglichkeiten auf einem Indoor-Festival relativ begrenzt sind. Auch dass der Veranstalter anscheinend nicht sonderlich dicke mit Petrus ist und dieser ihn dafür mit reichlich beschissenem Wetter strafte, ist kein Ding. Ich kann nicht einmal sagen, was genau ich mir noch gewünscht hätte. Allerdings kann ich ziemlich sicher sagen, dass es mich wirklich sauer gemacht hat, dass es tatsächlich einen kleinen Stand gab, an dem man sich für die sozialen Netzwerke ablichten lassen konnte, während man mehr oder minder erfolgreich Klimmzüge absolviert. Boss-Transformation lässt grüßen. Das hat mit Hip-Hop nix zu tun.

Liebes Mile of Style Festival,
ich mochte dich wirklich. Wir hatten schon wirklich viel Spaß zusammen, nur dieses Jahr haben wir uns leider im Streit getrennt. Ich bin mir sicher, dass wir auch diese Differenzen irgendwie überwinden können. Ich bin bereit, dir zu verzeihen. Aber dazu musst du dich ändern und zwar grundlegend. Die grauenhafte Organisation, die Profitgier, die beschissene Location und die Stimmung aller Beteiligten, die sich irgendwo zwischen Desinteresse und Aggression einordnen lässt, sind das eine. Das Schlimmste aber für jemanden, der diese Musik wirklich mit ganzem Herzen liebt, ist, dass genau diese Liebe gefehlt hat.
Ich hoffe wirklich, du bist bereit, aus deinen Fehlern zu lernen. Und ich würde mich wirklich freuen, wenn ich dich noch einmal so erleben darf, wie damals, Mile of Style. Aber einen zweiten so gravierenden Fehler wie dieses Jahr werde ich dir nicht mehr verzeihen.
Bis dahin.

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