„Wenn man sein Talent nicht mehr ohne Drogen abrufen kann, ist das der falsche Weg.“ Donvtello, Alphamob & Mosa über „Geeked“

geeked

Kollabo-Tapes gehören eigentlich zur Memphis-Kultur wie die Cowbell der 808 oder die Kassette an sich. Auch in der deutschen Subkultur des Phonks wird daher logischerweise mehr denn je auf gemeinsame Projekte gesetzt. Donvtello kann davon ein Lied singen. Mit dem Silk Mob hat der Oldenburger jüngst eine deutsch-österreichische Supergroup geformt und auch 2019 an der Seite von Tightill oder der Dortmunder Crew 44 Hustler, sowie seinem Bruder im Geiste Opti Mane Alben veröffentlicht. Nun steht die nächste Kollabo-Kassette ins Hause. Auf den Beats des Hamburger Produzenten AlphaMob und dem Berliner MOSA entstand schon vor einiger Zeit die gemeinsame „Geeked“ EP, die diesen Freitag nun das Licht der Welt erblickt. Über einen Corona-bedingten Zoom-Stream haben wir mit dem Trio über Inhalt und Musik des Projekts und die Tücken des Kollaborierens gesprochen.

 

Zu allererst einmal sei – vor allem für diejenigen, die wie ich eher selten Genussmitteln synthetischer Natur frönen – erwähnt, dass der Gefühlszustand „Geeked“ den absoluten Höhepunkt beschreibt. Gemeint ist natürlich überwiegend das Hoch, welches gewisse weiße Pulverchen in einem auslösen. Vollkommener Hype, alle Lampen an, und so weiter und so fort. Befürchtungen es gehe in der gleichnamigen EP nun von statten, wie in den Insta-Storys eines gewissen Hamburger Rappers, beschwichtigt Mosa jedoch sofort: „Ohne den letzten Track würde auch ein Teil der Selbstreflexion, ein Teil der kritischen Betrachtung des Lifestyles fehlen. Dann wäre das auch ein bisschen flach. Wenn du nur sagst ‚geil, geil, geil‘, ist das ja nicht die Realität. Es gibt ja immer auch noch die Woche danach.“

Zwischen Selbstreflexion und Kontrollverlust

Und auch im Intro „Dopeboys“, Donvtellos nostalgischer und durch die Lockdown-Erlebnisse der vergangenen Monate noch einmal in seiner Wirkung verstärkte Abgesang auf die Homies, werden die Schattenseiten des Lifestyle Lebemann dargestellt. In unserem Gespräch via Webcam thematisiert der Oldenburger ebenfalls die negativen Aspekte des Rauschs: „Es gibt als Musiker Situationen in denen Drogen helfen können, aber wenn man sich nicht bewusst ist, wie man sie konsumiert oder was das mit einem macht, kann das sehr schnell in die falsche Richtung ausschlagen. Wenn man nur ins Studio geht und sich wegballert, kann man sein Talent irgendwann nicht mehr ohne Drogen abrufen. Das ist der falsche Weg.“ AlphaMob bringt den Gesprächsabschnitt schließlich in einem Satz auf den Punkt: „Drogen sind nicht so schlimm, wie dargestellt, aber je nachdem wie man sie nutzt, sind sie sehr schlimm.“ 

Ich möchte trotzdem noch wissen, wie sich das am Ende doch recht dichte Konzept der EP entwickelt hat. Donvtello begründet das ziemlich organisch: „Als Rapper versucht man sich ja immer den Beats anzupassen. Was für einen Vibe hat der Beat? In welche Richtung treibt er mich? Ich hab dann einfach drauflos geschrieben. Natürlich geht es dabei viel um Drogen. Das hat halt was mit meinem Lifestyle zu tun. Ich bin ja der Protagonist der Platte. Das ist für mich allgegenwärtig. Selbstreflektierend und gesellschaftskritisch muss es allerdings auch sein.“ Gerade ersteres ist definitiv gelungen.

Bekannter Sound, neues Gewandt 

Auf der anderen Seite wird bereits mit der ersten Single „Dopeboys“ klar, dass es sich bei der EP der drei Memphis-Fetischisten tatsächlich auch um einen anderen Sound-Ansatz handelt. Wer erwartet hatte, dass AlphaMob einfach seinen „Swaffle Phonk“-Sound weiterfährt, hat falsch gedacht. Rein qualitativ packt „Geeked“ zudem nochmal deutlich was drauf. Natürlich bleibt der Memphis-Sound als Grundgerüst in Drums und Attitüde bestehen, allerdings ist man sich auch nicht zu schade mal nach Chicago oder Atlanta zu schielen. Die Beats sind häufig synthetischer, die 808s teilweise noch härter.

Aber erstmal von vorne. Das neu formierte Produzenten-Duo AlphaMob und MOSA kennt sich tatsächlich schon seit über 20 Jahren. Zu einer Zeit, in der sich die Rap-Welt noch in Crews mit Namen wie Derba Durchschnitt (AlphaMob) oder Mosaik (MOSA) organisiert, lernen sich die beiden kennen und schätzen. Mittlerweile betreibt der eine eine erfolgreiche Partyreihe, einen Verlag und ein Label in Hamburg und hat sich in den vergangenen Jahren mal eben zu einem der besten Produzenten des deutschsprachigen Rap-Spiels entwickelt, während sich der andere seinem Sound-Nerdtum vollends hingegeben hat und als Sound-Designer in seinem Studio in Berlin Kreuzberg an Musik-Videos von Till Lindemann bis Woodkid und allerhand Werbefilmen herumbastelt. Aus den Augen verloren haben sie sich dabei nie so richtig, gemeinsam Musik gemacht dafür nur selten. Bestes – und einziges – Beispiel: Der geniale Flip diverser Jerry B. Anderson Zitate zu Opti Manes 2018er Untergrund-Hit „Wie talkst du?!“. 

 

Seit gefühlten Ewigkeiten, wie AlphaMob mehrmals betont, steht bereits ein gemeinsames Projekt auf Album – Pardon – Tape-Länge im Raum: „Wir wollten mal was machen, was mal mehr ist, als nur ein Track, dass man mal ein ganzes Release gemeinsam formt.“ Vor allem aus Zeitgründen ist das lange nichts geworden. Den Startschuss gab dann die Session, in der „Get Ur Azz Up“, also der erste gemeinsame Track von Donvtello und AlphaMob entstanden ist. Für diese hatte sich MOSA kurzerhand selbst mit ins Studio eingeladen: „Ich hab halt „Du hast geratzt“ gehört und fand das mega krass. Dann bin ich einfach auch zu der Recording-Session gekommen. Ab da hat das dann einfach Sinn gemacht.“

Fast alle Tracks auf „Geeked“ sind von 2018

Aber auch als der Entschluss gefasst und mit Donvtello ein mehr als würdiger Rapper mit an Board ist, dauerte es noch über drei Jahre, bis „Geeked“ diesen Freitag das Licht der Welt erblickt. 2018 entstand ein Großteil der Songs. Eigentlich sollte das Projekt in der Folge noch zu einem Album heranwachsen. „Wir sind stark gestartet, aber dann haben wir kreativ auch stark nachgelassen und es ist zu einer EP geworden,“ grinst AlphaMob in die Kamera. Im Endeffekt gibt sich Donvtello als der Schuldige zu erkennen: „Da kamen noch mega geile Beats nach. Ich hab dann auch angefangen darauf zu schreiben. Aber da kam einfach nicht das bei raus, was ich haben wollte. Ich beiß mir heute noch echt in den Arsch, weil die Beats ziemlich geil waren.“

Die Gründe für diesen schon sehr langen Produktionszeitraum sind auch darüber hinaus noch vielseitig. Vor allem arbeiten alle drei Beteiligten einfach an zu vielen Baustellen gleichzeitig. Auch haben sie sich entschlossen die Dropbox fürs erste Ruhen und das Projekt nicht als Internet-Kollabo entstehen zu lassen. Dass alle beteiligten sich beim Beats machen, Schreiben und Aufnehmen in einem Raum befinden war sehr wichtig für das Resultat. „Dieses im Internet sich ein File zuschicken, ist nicht mein Ding,“ winkt AlphaMob ab. Donvtello ergänzt direkt: „Die Magic passiert immer gemeinsam in einem Raum.“

Schließlich hebt MOSA auch noch einen weiteren Faktor heraus: Die ständige Suche nach einem Kompromiss. „Das ist dann ein ganzer Kampf! Deo achtet sehr stark auf Style. Ich denke mir dann aber das muss noch komplizierter sein und hier noch verschachtelter. Und er schreit dann nur „Nein!“. Aber wir finden dann doch immer den Konsens.“ Am Ende sind sich alle beteiligten allerdings einig, dass gerade diese kleinen Kämpfe das Projekt auf ein neues Level gehievt haben.

MOSA hievt „Geeked“ auf ein neues Level 

Grade wenn man sich im Vergleich die „Swaffle Phonk“-Alben anschaut, fällt der Einfluss von MOSA auf die Produktionen von „Geeked“ auf. Wo früher charmanter und auch charakterstiftender Minimalismus in Produktion und Arrangement herrschte, tropft jetzt detailverliebte Bastelarbeit aus jeder Faser der EP. Die Produktionen klingen so nochmal ein deutliches Stück internationaler. Der Dynamik von „Geeked“ tut das wahnsinnig gut. Donvtello fasst das folgendermaßen zusammen: „Am Anfang dachte ich mir schon, dass das Projekt nicht so klingt, wie ich mir ein AlphaMob und Donvtello Tape vorstellen würde. Da kommt dann einfach noch der MOSA ins Spiel. Er hat viele neue Impulse gegeben.“

Normalerweise wird so ein Einmischen von Seiten des Produzenten in Rapper-Kreisen eher kritisch gesehen. In diesem Fall freut sich Donvtello über das Engagement. „Da ich Jobmäßig ja noch diese Sounddesign-Sache mache, recorde ich wahnsinnig viele Leute. Dabei habe ich mir so ein Ohr antrainiert beim Aufnehmen. Ich habe Donvtello dann schon viel gepusht. Deswegen mussten wir beim Aufnehmen auch immer in einem Raum sein,“ erklärt sich der Produzent.

„Es ist so freundschaftlich, wie sowas sein kann.“

Schließlich lieferte Donvtello dann auch gewohnt ab, reiht ein Flow-Gewitter ans Nächste und manifestiert seinen Status als einer der technisch komplettesten deutschen MCs weiter. Wenn er beispielsweise im zweiten Part von „Dopeboys“ von einer Halftime-Passage direkt zwei Gänge höher schaltet und dir auch die Doubletime-Flows millimetergenau um die Ohren klatsch, ist jedweder Zweifel vom Tisch. Überraschend kommen in den Songs „Ja ich dip“ und „Juicy“ dann auch noch gesungene Parts hinzu. Auch hier hatte MOSA seine Finger im Spiel. Man könnte meinen, der im Vergleich zu seinen Partnern eher unscheinbare Wahlberliner agiert in etwa so wie das Bindeglied des neu formierten Trios. 

Am Ende unseres Gesprächs kommen wir noch auch das Cover der EP zu sprechen. Auch hier verlassen die drei die für Memphis eigentlich obligatorische Pen&Pixel-Romantik. Für das Visuelle zeichnen sich im wahrsten Sinne des Wortes die Low Bros verantwortlich. Normalerweise reisen die Brüder von Berlin aus durch die Weltgeschichte und malen ein Mural nach dem anderen. Schon länger versuchen sie sich allerdings auch digital an innovativen Designs. Dabei arbeiten sie in guter Regelmäßigkeit mit AlphaMob zusammen. Für die Kassette, auf der „Geeked“ natürlich auch erscheint, haben sie sich was besonderes überlegt. Das Inlay haben die Brüder einfach mal weggelassen und das Cover direkt auf das Tape gedruckt. Natürlich macht das am Ende auch mehr Arbeit, was in den DIY-Ethos aller Beteiligten aber auch gut passt.

geeked alphamob donvtello

Die zweihundert Tapes hat AlphaMob, über dessen Label Alpheus Recs. die EP auch erscheint, in Handarbeit selbst vervielfältigt. „Eine fertige Kassette von irgendwo bestellen ist ja auch lame,“ dröhnt es mit einem Lachen aus den Laptop-Boxen. Eine Anekdote zum Cover der „Dopeboys“-Single packt AlphaMob schließlich noch aus: Der darauf zu sehende Dopeboys-Schriftzug ist an das Logo der Marke Homeboy angelehnt. Postwendend meldete logischerweise sich der Chef des Modelabels bei den Jungs, um mal nachzufragen, was das eigentlich soll. Am Ende haben sie jedoch Glück: „Der Sohn von diesem Typen findet unsere Musik wohl ganz gut, deswegen haben die das dann auf sich beruhen lassen,“ winkt AlphaMob mit einem vielsagenden Lächeln ab.