Album der Woche: Slowy & 12Vince – „Dejavu“

Beim Album der Woche bespricht jeweils ein Mitglied der BACKSPIN Gang das nach unserem Ermessen spannendste neue Rap-Album. Komplett subjektiv, kompakt Track by Track und bewertet auf einer Skala von 1-10. Diese Woche geht’s dafür in Untergrund: Unser Soundcheck-Redakteur Yannick nimmt sich die neue LP von Slowy und 12Vince vor.

Künstler: Slowy & 12Vince
Titel: Dejavu
Features: AzudemSK
Produzenten: 12Vince
Releasedate: 
Label: Akai47 Records

Yannicks Erwartungshaltung:

Slowy Alben wirken bei mir immer wie eine aufbauende Hip-Hop-Reha. Mal den Szene-geschädigten Kopf ausklinken und den ganzen Social Media-Quatsch einfach Quatsch sein lassen. Und selbst wenn er und sein Producer-Partner 12Vince mit „Undercover Blues“ eine sehr sehr gute Platte im Rücken haben, mach’ ich mir in puncto Fallhöhe eigentlich keine Gedanken. Zu stilsicher ist das Duo, zu rar machen sie sich abseits der Alben um von Graffiti-Storys nur annähernd übersättigt zu sein. 18 Songs sind mir prinzipiell zu viel für ein Album, aber vielleicht hat „Dejvu“ ja auch ein paar inhaltliche Überraschungen in petto. 

 

1. Traffic

Das ist einfach krass stilsicher und unbeschwert. Lines wie „Vielleicht geb ich genug Gas nur in Richtung falsches Ziel“ zeugt trotzdem von Selbstreflexion. Dass das Intro so vertraut klingt, zeigt mir, dass die Beiden sich spätestens mit dem 2017er-Album endgültig gefunden haben und sich in ihrer (zugegeben kleinen) Nische wohl fühlen. Bodenständigkeit kann echt viel Swagger haben!

2. Backstageboys 

Schon etwas bissiger und strotzt vor smarten Lines. „Kids der Oberschicht wollen so sein wie MCs, die nur so sind wie sie sind, weil sie Cash haben wollen wie sie“ ist gleichzeitig eine gute kleine Szene- wie Gesellschaftsanalyse.

3. Meine Jungs

Eine 187-Referenz hätte ich irgendwie nicht erwartet… Komplett voll mit geilen Punchlines, richtig starker Representer. Vince’ Beat peitscht schön nach vorne und untermauert das krasse Ego, das Slowy in die zwei Parts presst wunderbar. Eben weils so ehrlich frech ist und natürlich wieder paar Referenzen drin hat, macht die Nummer so viel Spaß. 

4. Flavour

Lässt mich nach den drei starken Openern relativ kalt. Dafür, dass sich Slowy über Zeigefinger-Musik beschwert, schwingt genau so etwas bei „Flavour“ ein wenig mit. Lieb den Beat aber wieder. 

(PS: Was sollen generell eigentlich Front gegen Kapitalismus-Kritik im Pop-Gewand? Vom Vorwurf der Doppelmoral ist wohl niemand gefreit und ein Streit darüber wer Ideale „ehrlicher“ verkörpert steht doch dem Kern von Diskussionen am Ende im Weg.)

5. Unter der Brücke

Die Nummer vermittelt tolle Leichtigkeit und Leidenschaft fürs Sprühen, ist dabei wegen des starken Vibes von Beat & Deliery weniger eine klassische Graffiti-Hymne als eine Huldigung der eigenen Leidenschaften. Der Song braucht Sonnenschein um sich zu entfalten. Nur lyrisch ist mir das stellenweise etwas zu pathetisch. 

Coolste Line: „Eine Warnweste macht unsichtbar bei Tageslicht“

6. Leben

Nach den ersten Songs macht es für mich schon Sinn „Leben“ als Single auszukoppeln. Der Song gießt den Charakter Slowy in 3 1/2 Minuten. Gleichzeitig unbeschwert wie selbstreflektiert mit etwas Ellenbogen und bewusste Abgrenzung. Gleichzeitig ist „Leben“ bis dato der persönlichste Song der Platte – klanglich wunderbar umgesetzt in Form eines zurückhaltenden, flächigen Sample-Beats.

7. Leierkasten

Geht noch etwas tiefer nach unten und dealt mit Antriebslosigkeit. Mann, wie kann man so sympathisch sein. „Sound zum Arsch nicht hochzukriegen aber dazu stehn“ ist schon wieder so geil aufrichtig. Eine tolle Produktion für den anstehenden Herbst-Blues. 

8. Dejavu 

Da haben wir sie, die Grafitti-Hymne! Paar Sample-Cosigns in der Hook. Logisch, dass die Nummer das Album betitelt. 

9. Bla Bla

Die Angler-Analogie fasst das Verhältnis zwischen Mainstream- und Subkulturen nice und relativ universell zusammen. Schönes Statement zum Einstellung „Gegen den Strom aus Prinzip“.

10. Respekt

Fieses Brett, richtig scharfe Delivery. Slowy arbeitet sich auf dem zurückhaltenden Loop energisch an der Hamburger Graffiti-Szene ab. Dieses Mal ohne doppelten Boden sondern ziemlich ernst. 

11. Silvester

Slowy macht den Weltspiegel. Hätte ich so nicht auf der Platte erwartet. Aus künstlerischer Sicht ist mir persönlich dieser ein Stil oft zu direkt, trotzdem sind wir mittlerweile in einer Zeit für klare Statements angekommen und dann ist ein Rant gegen Wohlstandsmüdigkeit und Nazis in Landtagen auch einfach nötig. Wichtiger Song!

12. Same shit

AzudemSK bekommt mich ausnahmsweise mal nicht, der ganze Song geht relativ unberührt an mir vorbei. Eigentlich schön abstrakt, funktioniert für mich aber innerhalb des Tracklistings nicht so recht.

13. Frag nicht

Dealt mit dem Getrieben sein durch die eigene – viellicht nach außen hin merkwürdigen – Leidenschaften. Natürlich im Falle Slowy auf Graffiti bezogen, allerdings auch mit einer gesunden Menge Projektionsraum beim Zuhören. Einer meiner liebsten Songs bisher. 

14. Noti

Schon wieder eine 187-Referenz, haha. Sehr abstrakter Song über das über die Stränge schlagen. Funktioniert dieses Mal ganz ohne thematischen Fixpunkt. Die lyrischste Nummer auf der Platte. 

15. Nächte wie diese

Eine Selbstreflexion über das eigene Standing, die eigene Arbeit bzw. Leidenschaft. Nie unglaublich offensiv, eher verschnörkelt. Ein Song um mal genau zuzuhören. 

16. Gleis 7

Quasi die etwas direkter formulierte Fortführung des Vorgängersongs. „Gleis 7“ ist eine nachdenkliche Erzählung über das kommerzielle Scheitern aus Prinzip. Es ist krass angenehm, wie ausgeglichen Slowy auf grade diesem Song klingt. Dem Phänomen von überteuerten Platten-Weiterverkäufen bei unterbezahlten Künstlern hat sich Prezident auch mal abgearbeitet. Ein Szene-Untergrund ist schon ein manchmal seltsames Konstrukt. „Gleis 7“ wird wohl mein Lieblingssong auf „Dejavu“.

17. Erwartungen 

Krass wie persönlich die zweite Hälfte der Platte dann doch geworden ist. Was sich in der ersten Hälfte immer nur zeilenweise angedeutet hat, breitet sich mittlerweile in mehreren Song aus. Ein mutiger Schritt sich die Leidenschaft immer als Leidenschaft bewahren zu können und dafür persönlich kürzer zu treten. Bodenständig eben. 

18. Nicht wie ihr

Ein Spoken-Word-Outro also. Das gesagte fasst den inhaltlichen Kern der Platte, den Umgang mit den eigenen Leidenschaften in Konkurrenz mit dem privaten Leben und Wohlbefinden 

Fazit:

Natürlich passiert auf „Dejavu“ keine musikalische Progression. Das ist aber auch vollkommen okay, eigentlich sogar wünschenswert so. Man fühlt sich wohl in der musikalischen Nische. Im Zentrum der Platte steht der Umgang mit den eigenen Leidenschaften, der mal offensiv, mal dezent Platz in allen Songs findet. Wie gut 12Vince sein Handwerk beherrscht wurde über die letzten Jahre sowieso bewiesen, das ist instrumental eine sichere Bank – grade die öfter ihren Platz findenden Eins Zwo Referenzen lassen mein Herz höher schlagen. Kurzum: „Dejavu“ ist ehrlich, selbstreflektiert, manchmal angriffslustig und damit schon wieder richtig gut. 8 Punkte

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