Album der Woche: Eminem – „Music To Be Murdered By“

Beim Album der Woche bespricht jeweils ein Mitglied der BACKSPIN Gang das nach unserem Ermessen spannendste neue Rap-Album. Komplett subjektiv, Track by Track und bewertet auf einer Skala von 1-10. Diese Woche bespricht unser Autor Louis „Music To Be Murdered By“, das elfte Album von Eminem. 

Artist: Eminem
Titel: Music To Be Murdered By
Features: Black Though, Q-Tip, Juice Wrld, Ed Sheeran, Young M.A., Skylar Grey, Don Toliver, Anderson .Paak, Royce da 5’9“
Produzenten: Dr. Dre, Eminem, Royce da 5’9″, Tim Suby, Luis Resto, Fred, D.A. Doman, Skylar Grey, Mr. Porter, The Alchemist, Dem Jointz, Trevor Lawerence Jr., Dawaun Parker, Blu2th, Ricky Racks,   
Label: Shady Records / Aftermath / Interscope
Release: 17.01.2020

Louis‘ Erwartungshaltung:

Eminem ist meine Rap-Sozialisation. Würde ich sagen, dass ich nicht einen Großteil meines Lebens ein absoluter Stan war, würde ich lügen. Aber auch mir wurde in den letzten zehn Jahren schmerzhaft bewusst, dass wir den „alten Eminem“ nicht mehr hören werden und dass sich seine Musik in eine beunruhigende Richtung entwickelt. Ich habe aber immer noch ein Herz für lyrischen Rap und respektiere auch Eminems Leidenschaft für die Kunstform sehr. Deshalb gefällt mir auch die Art der Veröffentlichung dieses und des letzten Albums „Kamikaze“. Eine monatelange und groß aufgezogene Promophase schürt bei einem Eminem Erwartungen, die er heutzutage mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllen kann. Und auch wenn ich nicht mehr den großen Klassiker erwarte, kann ich mich von einer gewissen Hoffnung auf Besserung nicht freimachen.

 

1. Premonition (Intro)

Ein Intro, wie ich es auch heute noch gerne mag. Eminem kommt hier direkt zur Sache und adressiert die Kritiken, die er in den letzten Jahren ernten musste. „They said my last album I sounded bitter/ No, I sound like a spitter.“ – eine Einstellung, die mir grundsätzlich gefällt und einen Vorgeschmack auf das Album gibt. Auch die langersehnte Dre-Produktion findet sich hier direkt wieder. Leider kann sich Em‘ aber auch hier nicht gänzlich von verbittert wirkenden Zeilen freimachen und versucht erneut, sein 2017er Album „Revival“ für dessen Inhalte zu verteidigen.

2. Unaccommodating

Mit Young M.A. leitet ein absolut unerwartetes Feature den zweiten Song ein. Ihr Verse gefällt mir. Eminems Parts hingegen wirken recht überladen im Vergleich zu Young M.A.s deutlich entspannterem Vortrag und auch sein abgehackter Flow erzeugt so einen Kontrast, dass es den Song nicht mehr kohärent wirken lässt. Inhaltlich beschäftigen sich beide mit Kritikern und Feinden im Rap-Game und so findet auch MGK seine erste Erwähnung, wenn Eminem ihn als „Rap God“ von seinen Sünden befreit. Überschattet wird der Song von der kontroversen Zeile, die auf das Attentat bei Ariana Grandes Konzert 2017 in Manchester anspielt. So erwartbar eine solche Zeile bei Eminem nun mal ist, so wenig trägt sie zur Aufwertung des Songs bei.

3. You Gon‘ Learn

Guter Song, der mir gleich beim ersten Hören zugesagt hat. Für mich hat Royce hier leicht die Nase vorn, auch wenn mir beide Parts gut gefallen. Die beiden rappen über ihren Weg nach oben und die zahlreichen Probleme, mit denen sie auf dieser Reise konfrontiert wurden. Royce schafft es dabei in seinem deutlich kürzeren Part die passende Stimmung zu erzeugen, wenn er Probleme mit Rassismus in den USA oder seinen Alkoholismus thematisiert. Die Hook von White Gold fügt sich gut in den Song ein und sorgt für eine wohltuende Entschleunigung.

4. Those Kinda Nights

Als erstes aufgefallen ist mir hier natürlich das von Bizarre eingesprochene Intro. Habe in der jüngeren Vergangenheit ein paar Videos von ihm gesehen, in denen er keinen guten Eindruck gemacht hat. Auch inhaltlich bleibt Bizarre ein Thema, wenn Eminem von Partynächten mit seiner ehemaligen Crew D12 erzählt und dabei um keinen albernen Wortwitz verlegen ist. Die Hook kommt von keinem geringeren als Ed Sheeran, der hier allerdings etwas fehl am Platz wirkt und auf dem düsteren Club-Instrumental von D.A. Doman etwas dünn daherkommt.

5. In Too Deep

Ein Song, zu dem ich nach dieser Review wohl nicht nochmal zurückkommen werde. Eminem behandelt hier eine bzw. zwei Liebesbeziehungen, die er mehr oder weniger parallel führt, und die Probleme, die dieser Umstand mit sich bringt. Wie viel Wahrheit in dieser Geschichte steckt, lässt sich nicht erkennen. Der Song gerät bei mir schnell wieder in Vergessenheit.

6. Godzilla

Auf „Godzilla“ erwartet einen das zweite überraschende Feature. Der viel zu früh verstorbene Juice Wrld liefert hier die Hook und sorgt damit für einen der Höhepunkte des Albums. Ich hätte mir hier auch einen Part von ihm gewünscht, bin aber dennoch froh, dass Eminem nun öfter mit moderneren Artists zusammenarbeitet. Die beiden harmonieren auch überraschend gut, wenn Eminems ratternder Flow von Juice Wrlds Ohrwurm-Hook abgelöst wird. Lediglich zum Ende des Songs hat Eminem wieder einen dieser Momente: Er tappt seinen textlich vollgepackten dritten Part in einem wahnsinnigen Tempo runter und stellt das Darlegen seiner technischen Fähigkeiten über das musikalische Endprodukt .

7. Darkness

Der stärkste Song auf dem Album und einer der besten Songs, die Eminem seit seinem Comeback 2009 abgeliefert hat. Ems Flow ist wie der Beat deutlich reduzierter als bei den vorherigen Songs, die Lyrics genießen die volle Aufmerksamkeit. Auch das sehr gut eingesetzte Sample von Simon & Garfunkels „The Sound of Silence“ fügt sich nahtlos in die Atmosphäre des Songs ein. Eminem nimmt hier die Perspektive des Attentäters Stephen Paddock ein, der 2017 für einen Massenmord bei einem Musikfestival in Las Vegas verantwortlich war, lässt es vorher aber durch geschicktes Storytelling so wirken, als handle der Song von ihm selbst. Gleichzeitig mit dem Album wurde das Video zu „Darkness“ veröffentlicht, mit dem der Song und dessen Bedeutung noch einmal verdeutlicht werden. Klare Empfehlung von mir!

8. Leaving Heaven

Die obligatorische Hook von Skylar Grey darf auch auf „Music To Be Murdered By“ nicht fehlen. Diese ist dabei (wie immer) weder besonders gut noch besonders schlecht, muss diesen Song aber zum Glück nicht tragen. Eminem spricht sehr offen über private Probleme und seinen Struggle in der Zeit vor dem Dasein als Superstar. Den Höhepunkt erreicht er im dritten Part, wenn er über seinen mittlerweile verstorbenen Vater spricht, ihn einen Feigling nennt und ihm die Schuld für all die schlechten Dinge in seinem Leben gibt. Zeilen wie „So I’m asking for a pass to go to hell/ So i can whip your fucking ass/ I hate that I’ll never get to say ‘I hate you‘ to your face“ zeigen eine Härte, die selbst für einen Eminem nicht alltäglich ist.  

9. Yah Yah

Ein Song für Liebhaber mit Features von Royce da 5‘9‘‘, Black Thought und Q-Tip. Ein Sample von Busta Rhymes‘ „Woo Hah!! Got You All in Check“ läutet den Track ein, die MCs frönen in ihren Parts den Idolen ihrer Vergangenheit und stellen ihre lyrischen Fähigkeiten in den Vordergrund, Q-Tip übernimmt mit Royce zusammen die Hook und rundet den Song damit stimmig ab. Auch die treibende Produktion von Denaun Porter weiß hier zu gefallen.  

10. Stepdad

Inhaltlich ein klassischer Horrorcore-Storyteller im Stile von Slim Shady. Diesmal geht es um seinen Stiefvater, unter dessen Missbräuchen sowohl er als auch seine Mutter leiden müssen. Wirkt der Inhalt zunächst noch einigermaßen plausibel, so muss man spätestens von einer fiktiven Geschichte ausgehen, wenn Eminem seinen Stiefvater schließlich totschlägt und neben seinem Hund vergräbt. Die Hook orientiert sich an der argentinischen Band Pescado Rabioso und gefällt mir melodisch, kann aber durch den schrillen Vortrag von Eminem auch schnell zu viel werden.

11. Marsh

Mit „Marsh“ werde ich nicht wirklich warm. Eminem rappt, dass er nicht von dieser Welt sei und mir scheint, der Song dient wieder nur dem Zweck seinen technischen Skill unter Beweis zu stellen. „I don’t cut the beat ‘til I fuckin‘ destroy it“ – und genau das ist manchmal das Problem.

12. Never Love Again

Wieder ein Highlight und wieder spricht Eminem über echte Probleme. Diesmal zwar im Gewand einer Liebesbeziehung, aber der Bezug zu seiner Drogenvergangenheit wird recht schnell deutlich. Für die Produktion zeichnet wieder Dr. Dre verantwortlich, der zunächst ruhigere Beat switcht zu Eminems drittem Part dann und gibt Eminem nochmal die Möglichkeit sich auszutoben. Im Gegensatz zu „Godzilla“ fügt sich dieser Part aber gut in den Song ein und weiß auch inhaltlich zu überzeugen, wenn Em‘ expliziter über die Pillen und seine Hassliebe zu diesen spricht.

13. Little Engine

Eminem rappt sich auf einem unheimlich anmutenden Beat die Seele aus dem Leib. Der Song ist gespickt mit Referenzen auf Horrorfilme und Serienkiller und Em‘ schmeißt mit Wortspielen regelrecht um sich. Der Song bietet inhaltlich wenig Mehrwert, nur die eventuelle Anspielung auf Nick Cannon bleibt hier hängen und scheint mir in dieser Form auch angemessen nach den Ereignissen der letzten Wochen und Monate.

14. Lock It Up

Anderson .Paak ist aufgrund seiner Nähe zu Dr. Dre kein ganz so überraschendes Feature, kann aber trotzdem auf ganzer Linie überzeugen. Sein erster Verse gehört sicherlich zu den besten Parts auf dem ganzen Album und sorgt für den richtigen Vibe, bevor Eminem übernimmt, aber zum Glück nicht überdreht. Der Song bleibt auf Representer-Basis, Eminem teilt in alle Richtungen aus und lässt auch Ex-Slaughterhouse-Mitglied Joe Budden nicht unerwähnt. Dieser hatte sich in der Vergangenheit abfällig über Eminems Musik geäußert und wird deshalb als „backstabbin‘ Trader Joe“ abgetan. Alles in allem ein sehr runder Song, die starke Produktion von Dr. Dre tut ihr übriges.

15. Farewell

Wie jemand 2020 auf die Idee kommen konnte, Seranis „No Games“ für ein Eminem-Album zu samplen, ist mir absolut unbegreiflich. Vielleicht war ich aber auch einfach auf zu vielen schlechten Partys, auf denen dieser Song lief und bin deshalb vorbelastet. Inhaltlich schließt der Song an „Never Love Again“ und zeigt da auf jeden Fall seine Stärken. An der Stelle finde ich es etwas schade, wieder den Vergleich mit einer Liebesbeziehung zu benutzen, wenn man sich dieses Stilmittels wenige Songs vorher schon bedient hat. Dennoch einer der besseren Songs, einfach wegen der echten Emotionen. Dadurch, dass der Song mit den Worten „addiction is a disease“ endet, bleibt ein bedrückendes Gefühl.

16. No Regrets

Wieder ein emotionaler Song, in dem Eminem zunächst über Probleme auf seinem Weg zum Superstar und später über Beefs der jüngeren Vergangenheit spricht. Leute wünschen sich den alten Eminem zurück, ohne dabei die Umstände zu berücksichtigen, die es damals in seinem Leben gab. Auch die Zeilen gegen Earl Sweatshirt und Tyler, The Creator auf seinem letzten Album werden hier adressiert und Eminem gesteht sich seinen Fehler ein. Don Tolivers Hook betont letztendlich nochmal, dass Em nichts bereut und alles wieder so machen würde, was ich im Kontext der einzelnen Parts etwas unglücklich gewählt finde.

17. I Will

Der letzte Song ist ein Posse-Track mit Slaughterhouse (mit Ausnahme von Joe Budden) auf einem von Eminem selbst produzierten Boom-Bap-Beat. Hier gibt es keine Überraschungen, der Song liefert genau das, was man von lyrischen Rappern dieses Kalibers erwarten würde. Als letzten Song des Albums hätte ich mir eher einen der tiefgründigeren Songs gewünscht, kann aber auch hiermit durchaus leben.

 

Fazit

Eminems Karriere hat mich zuletzt immer ein wenig an die letzten Jahre von Dirk Nowitzki in der NBA erinnert. Der Zenit scheint weit überschritten zu sein, aber warum aufhören, wenn der Spaß an der Sache noch vorhanden ist? Im Gegensatz zu Nowitzki hatte Eminem allerdings mehr und mehr Probleme seinen Status in der heutigen Szene zu akzeptieren und reagierte oft verbittert auf berechtigte Kritik. Diese Momente bleiben auch auf „Music To Be Murdered By“ leider nicht aus und lassen sich auch nicht mit minutenlangen Doubletime-Passagen kompensieren. Dass Em‘ rappen kann, haben wir alle verstanden. Zum Problem wird das allerdings nur, wenn der technische Anspruch wichtiger als die Musik am Ende ist.

Glücklicherweise ziehen sich diese Momente aber nicht durch das komplette Album und Eminem geht insgesamt einen Schritt in die richtige Richtung. Das modernere Soundbild und die Features mit zeitgemäßen Artists gefallen mir gut und auch auf thematischer Ebene weiß der 47-Jährige hin und wieder zu überzeugen. Eminem hat durchaus noch etwas zu sagen. Der absurde Anspruch an seine Technik und der eine oder andere belanglose Song stehen einem guten Gesamtwerk jedoch im Weg. 6/10